OFFENER WUTBRIEF AN ALLE, DIE IN DEUTSCHLAND KULTUR SCHAFFEN UND SIE DABEI LANGSAM TÖTEN
Liebe selbstgefällige Kulturszene Deutschlands,
was genau ist eigentlich euer verdammtes Problem?
Deutschland, einst ein Land der Dichter und Denker, der radikalen Künstler und unbequemen Stimmen, ist heute eine verwaltete Kulturnation ohne künstlerische Relevanz. Ihr seid nicht mehr Avantgarde. Ihr seid keine Revolutionäre. Ihr seid Verwalter, Kuratoren, Antragsteller. Eure Werke sind Produkte, eure Provokationen sind kalkuliert, eure Wut ist kontrolliert. Und genau das ist das Problem.
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Euer Film ist tot, aber ihr merkt es nicht.
Ja, es gibt Filme aus Deutschland. Und ja, sie laufen auf Festivals. Aber es gibt keinen deutschen Film, der weh tut, der verstört, der auf globaler Ebene wirklich eine Rolle spielt. Deutschland produziert Film für ein Publikum, das sich in seiner kulturellen Relevanz selbst bestätigt sehen will.
• Ihr dreht Fernsehfilme mit einer Ästhetik, die selbst in den 90ern veraltet gewesen wäre.
• Ihr produziert Historienkitsch, der zum 100. Mal betont, dass Nazis böse waren, weil das international noch am besten funktioniert.
• Ihr macht Komödien, die so mutig sind wie ein Witz auf einer Sparkassen-Weihnachtsfeier.
Wo ist das Risiko? Wo ist der Tabubruch? Wo ist der deutsche Trainspotting? Der deutsche Parasite? Der deutsche Everything Everywhere All at Once? Nirgendwo. Stattdessen: Antragstellung, Produktionsförderung, eine Kommission entscheidet, ob eine Idee „gesellschaftlich relevant“ genug ist, um finanziert zu werden. Ihr habt Kunst durch Bürokratie ersetzt.
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Eure Literatur ist ein Feuilleton-Masturbationszirkel.
Wo sind die neuen Giganten der Literatur? Wo sind die Autoren, die Bücher schreiben, die Menschen umhauen, die Debatten auslösen, die auf dem Index landen, weil sie zu gefährlich sind?
Es gibt sie nicht. Denn ihr schreibt keine Bücher mehr. Ihr schreibt Diskussionsbeiträge in Romanform.
• Bücher, die in Jurys gewinnen, aber niemand liest.
• Bücher, die ein „wichtiges gesellschaftliches Thema“ behandeln, aber dabei alles vergessen, was Kunst ausmacht.
• Bücher, die perfekt sind für einen Abend im Literaturhaus, aber nie in einem Club oder einer Kneipe gelesen werden.
Wo ist der deutsche American Psycho? Wo ist der deutsche Fight Club? Wo ist der Roman, der ein Lebensgefühl einfängt, der eine Generation beschreibt, der provoziert, der in der Bild-Zeitung landet, weil er „skandalös“ ist?
Nirgendwo. Weil ihr Angst habt. Angst vor der Kritik der eigenen Szene. Angst davor, dass jemand nicht versteht, wie „ironisch“ oder „diskursiv“ euer Werk gemeint ist. Euer größtes Problem ist, dass ihr nur für eure eigenen Leute schreibt.
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Euer Theater ist elitär, selbstverliebt und irrelevant.
Eure Stücke sind keine Kunst. Sie sind Seminararbeiten mit Bühnenbild.
• Ihr wollt „den Diskurs anregen“, aber inszeniert für ein Publikum, das ohnehin eurer Meinung ist.
• Ihr macht „kritisches Theater“, aber habt Angst, dass der Shitstorm euch eure Fördergelder kostet.
• Ihr glaubt, Theater sei eine gesellschaftliche Institution – und genau deshalb interessiert sich niemand mehr dafür.
Ihr wollt wirklich politisches Theater? Dann macht nicht die hundertste Version von Brecht oder eine postmoderne Dekonstruktion von Shakespeare. Macht Theater, das gefährlich ist. Theater, das das Publikum nicht bloß bestätigt, sondern wütend macht. Theater, nach dem Menschen mit Schaum vor dem Mund die Bühne stürmen und euch angreifen wollen. Aber das könnt ihr nicht. Weil ihr in Wahrheit keine Künstler seid, sondern Lehrer, die sich für Genies halten.
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Eure Musik ist generisch oder ironisch – aber nie echt.
Deutsche Musik ist entweder hüftsteifer Radiopop für Leute, die Angst vor Lärm haben, oder ironisch übersteigerter Deutschrap, der sich selbst längst als Parodie konsumiert.
Wo ist der deutsche Punk? Wo ist die echte Wut? Wo ist eine Band, die den Status quo zerlegt, die aus jeder Talkshow geschmissen wird, die ein Festival in Chaos stürzt?
Stattdessen:
• Bands, die „gesellschaftskritisch“ sind, aber nur auf safe Themen setzen.
• Rap, der nur noch über Geld, Drogen und Marken redet, weil das einfacher ist als Haltung.
• Indie-Musik, die so sanft und weich ist, dass sie niemandem wehtut.
Es gibt keinen musikalischen Wahnsinn mehr in Deutschland. Keine Eskalation. Keine echte Subkultur. Ihr habt sogar Punk in ein Förderprogramm gepackt.
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Deutschland will keine Kunst mehr – es will Kultur als verwaltetes Wohlfühlprodukt.
Kunst bedeutet Risiko.
Kunst bedeutet Schmerz.
Kunst bedeutet Chaos.
Deutschland aber will keine Kunst.
Deutschland will Kultur.
Kultur, die „gesellschaftlich relevant“ ist.
Kultur, die „förderfähig“ ist.
Kultur, die „den Diskurs bereichert“.
Kultur, die im Feuilleton gute Kritiken bekommt, weil alle sich kennen und keiner anecken will.
Ihr seid nicht mutig. Ihr seid nicht kreativ. Ihr seid Verwalter eurer eigenen Bedeutungslosigkeit.
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WAS IHR TUN SOLLTET?
🚨 Vergesst die Fördergelder.
Macht Kunst, weil ihr es müsst, nicht weil es finanziert wird.
🚨 Schreibt, dreht, spielt, singt so, dass es euch selbst Angst macht.
Wenn eure eigene Kunst euch nicht herausfordert, ist sie nichts wert.
🚨 Geht raus aus eurer Szene.
Wenn nur eure eigene Bubble euch feiert, seid ihr bedeutungslos.
🚨 Riskiert einen Skandal.
Wenn keiner über euch streitet, seid ihr irrelevant.
🚨 Schafft Kunst, die unbequem ist.
Denn alles, was bequem ist, ist tot.
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Euer größtes Problem ist, dass ihr euch für wichtig haltet, aber nichts tut, das wichtig ist.
Macht endlich Kunst, die lebt. Oder lasst es sein.
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