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Goodluck schrieb am 25.9. 2014 um 15:42:48 Uhr über

Konzentrationslager

Unter der Regie MC TEIGUEs wurde 2006 die Comicvorlage von Alan MOORE und David LLOYD (ab 1982 in drei Bänden) »V WIE VENDETTA« verfilmt. Im Unterschied zur Vorlage, die die doppelte Gefahr sowohl autoritärer Regierung wie anarchistischen Chaos vorstellt, sympathisiert der Film eindeutig mit dem Terroristen V, der durch eine Guy-Fawkes Maske getarnt ist. Ein alternatives Großbritannien, von einer Partei und einem Staatslenker geführt, wird durch gezielte anarchistische Agitation des Protagonisten destabilisiert. Im Laufe des Films werden auch hochrangige Persönlichkeiten getötet, deren Gemeinsamkeit erst spät als Zusammenarbeit in einem Konzentrationslager aufgedeckt wird, in dem systematisch medizinische Versuche an Gefangenen durchgeführt wurden. Der Bezug zu verschiedenen, meist nur mit dem nationalsozialistischen Deutschland assoziierten Praktiken, weil erst danach international verbindliche Regeln einer Medizinethik schriftlich ausgearbeitet wurden, wird deutlich. Den nach dem Nürnberger Ärzteprozess ausgearbeiteten Richtlinien zufolge sind die wesentlichen Voraussetzungen für jeden Versuch am Menschen die aussagekräftige Zustimmung des Betroffenen..., das Fehlen ungebührlicher Einflussnahme, menschliche Versuchsbedingungen, die Vermeidung unnötiger Schmerzen und eine ernsthafte, wissenschaftliche Zielsetzung. Dabei ist auf die gängige, allzu unreflektierte Beschreibung der nationalsozialistischen Forscher als un- oder pseudowissenschaftlicher Sadisten hinzuweisen, die gerade das Ziel verfehlt: Die Experimente, wie etwa am Beispiel der Seuchenforschung im Konzentrationslager Natzweiler gezeigt werden kann. Natzweiler Insassen wurden mit Typhus, Gelbfieber, Pocken, Paratyphus A und B, Cholera und Diphterie infiziert... Im Fall des Anti-Typhus-Experiments wurde eine Gruppe gesunder Insassen ausgewählt, die eine gewisse Widerstandskraft gegen die Krankheit aufbrachten. Man spritzte ihnen einen Typhus-Impfstoff, dann wurden sie alle mit Typhus infiziert. Unterdessen steckte man auch andere, nicht geimpfte Insassen an, die sogenannte Kontrollgruppe. Wieder andere Insassen wurden absichtlich angesteckt, nur um den Typhus-Virus am Leben und verfügbar zu erhalten, entsprechen gerade der kalten Logik wissenschaftlicher Experimente. Ethische Bedenken gegen Menschenversuche können daher nicht aus der Wissenschaftlichkeit abgeleitet werden, sondern aus einer ihr vorgehenden Betrachtungsweise menschlichen Verhaltens generel. Was soll zur Erreichung eines Zieles getan werden (dürfen)? Auch die Wissenschaft steht nicht neutral über Gesetz und Moral, selbst wenn das heute mit scheinlogischen Argumenten oft versucht wird. Der Film drängt diesen Diskurs in den Hintergrund. Dort werden Viren erforscht, die der herrschenden Partei letztlich über die damit der Bevölkerung eingejagte Angst Legitimität verleihen. Wenn wir euch nicht vor diesen gefährlichen Substanzen beschützen, die wir erforscht und unter Kontrolle gebracht haben, würdet ihr euch damit nur gegenseitig verletzen. Das biologische Virenexperiment mit politischen Häftlingen dient vordergründig der Forschung, hintergründig aber auch der Machtabsicherung. Indirekte Anspielungen auf den US-amerikanischen Kampf gegen den Terror und die gezielten, psychologisch wirksamen Anschläge des Jahres 2001 sind beabsichtigt, und führten zu einer Einschränkung der Seher auf über 16 Jahre. Dabei spielt auch die Kritik an an finanziellem Erfolg interessiertem, pseudowahrheitsliebendem Journalismus eine Rolle, der wiederum das Produktionsland des Films in Blick nimmt. Die oftmals politisch eher kontraproduktiven Maßnahmen der Bush-Administration im war on terror lassen sich besser begreifen, wenn man sie aus psychologischer Perspektive betrachtet, wie dies etwa Gudrun Brockhaus tut. Sie konstatiert, daß die Berichterstattung über die Anschläge von Anfang an der Inszenierungslogik der Unterhaltungsindustrie unterworfen gewesen sei, mit entsprechenden Konsequenzen. Ein weiteres Motiv des Films ist der aggressive Rassismus des Regimes, der mit dem eugenisch verstehbaren Motto der führenden Partei »Strength Through Purity, Purity Through Faith« Nicht nur Sozialabweichungen, im Comic sind die verfolgten Personen Sozialisten, Homosexuelle, Schwarze, Pakistani, gelten als Einsperrgrund, auch genetische Dispositionen. Dass diese Motive in der europäischen Geschichte der Neuzeit immer eine prominente Rolle gespielt haben, lässt sich an vielen Beispielen zeigen: ”Selbst der gelassene Alexander von Humboldt sprach von den Mongolen Dschingis Khans als einem »verpesteten Windhauch«. Wenn europäische Historiker des 18. Jahrhunderts dem Motiv des Barbareneinfalls eine grosse Bedeutung beimassen, so durchaus auch aus zeitgeschichtlichen Gründen. Der Film ist insofern gerade zu seiner Entstehungszeit mitten im Krieg gegen den Terror eine interessante Gegenstimme, die um Sympathie für Terroristen als vom bekämpften System Verwundete wirbt. Die Frage nach der legitimen Kritik an herrschender Politik und nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel bleibt Militärethikern aufgegeben.


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