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wuming schrieb am 9.7. 2007 um 22:22:06 Uhr über

Kontrollgesellschaft

Kurzfassung in deutsch
Die Implementation von E-Watch, also all jener Kontrolltechnologien, die auf elektronischem, zumeist digitalem Wege, Personen, Räume und/oder Interaktionen akustisch, optisch und/oder taktil durch Datenspeicherung und Datenabgleich überwachen, in die verschiedensten Bereiche des gesellschaftlichen Lebens im öffentlichen und privaten Raum beim Einkaufen, beim Benutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Passieren öffentlicher Plätze und neuerdings auch beim Spielen im Kindergarten oder Lernen in der Schule, ist begleitet von einer Verknüpfung aus Kontrolle und Unterhaltung. Nicht alleine der Kontrollgedanke motiviert die Menschen dazu, die Kameras zu akzeptieren, sondern auch ihr Wunsch, selber kontrollieren und beobachten zu können sowie die Möglichkeit, sich selber in Szene zu setzen. Genau diese Wechselwirkung aus Kontrolle und Unterhaltung bezeichne ich als Controltainment. Die These der vorliegenden Arbeit ist: E-Watch und Controltainment bieten eine Bühne für das Kontroll-, Sicherheits- und Zurschaustellbedürfnis der Gesellschaft. Es entwickelt sich eine Kontrollkultur. Die Einführung neuer Technologien vollzieht sich sukzessive auf den unterschiedlichsten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, die in ihrer Komplexität von den Einzelnen nicht wahrgenommen wird. Vielmehr entfaltet sich ein kontinuierlich weiter spannendes Netz von Informationssammeldatenbanken über die Gesellschaft, die den Einzelnen katalogisiert und kategorisiert. Diese Informationssammeldatenbanken werden zugleich von den Gesellschaftsmitgliedern genutzt, um sich und dieAnderen“ katalogisieren und kategorisieren zu können und somit Orientierungs- oder auch Ortungshilfen in ihrer gesellschaftlichen Positionierung und Selbstvergewisserung zu erhalten. Die Informationssammlung erfolgt jedoch nicht mehr notwendigerweise durch staatliche Institutionen, sondern vielmehr unter Mithilfe von sowohl privatwirtschaftlichen Unternehmen als auch von den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern selbst, die sich zunehmend in der Öffentlichkeitetwa im Internet oder anderen Massenmedienpräsentieren und nahezu vollständig auf ihre Privat- bzw. Intimsphäre verzichten (wollen), um durch die öffentliche Wahrnehmung eine Identität entwickeln zu können. Der vollständigen Vergesellschaftung der Subjekte ist damit der Weg offen. Es entsteht eine Aufmerksamkeits- und Selbstkontrollgesellschaft, auf deren Daten – ergänzt durch eigene Erfassungs- bzw. Kontrollinstrumente - der Staat zur Kontrolle der Bevölkerung zurückgreifen kann. Der Einzelne wird damit zumKontrolleur seiner selbst“, der einen omnipräsenten, kontrollierenden Staatin Teilen - überflüssig macht. Eine Kontrollkultur erwächst. Theoretisch lassen sich diese Entwicklungen einbetten in das von Foucault entworfene Konzept der Gouvernementalité – das einerseits auf die Eigenverantwortung und Selbstsorge und andererseits durch diese Responsibilisierungsstrategie auf den Rückzug des Staates abzielt. Leitideen einer solchen Regierungspraxis sind das ‚governing at a distance‘ und dasRegieren durch Freiheit‘ (Garland). Gilles Deleuze Überlegungen zur Kontrollgesellschft bieten einen weiteren theoretischen Zugang zu dem Thema. Durch die zunehmende Privatisierung öffentlicher Räume entsteht ein Kontrollparadigma, dass zumeist durch private Wach- und Sicherheitsunternehmen umgesetzt wird, wobei, wie Garland in seiner Unterscheidung zwischen den „Criminology of the self“ und „Criminology of the other“ darstellte, danach differenziert wird, wer zu denInsidernoder ‚Outsidern‘ gehört und entsprechend sanktioniert werden muss. In der Arbeit werden zahlreiche Beispiele für den Einsatz von E-Watch im öffentlichen und privaten Raum zur Herstellung vonInsidernund ‚Outsidern‘ vorgestellt, die u.a. auf eine Wechselwirkung von Kontrolle und Unterhaltung hinweisesen. Das Controltainment erhält jedoch durch die Schaffung neuer Sendeformate im Fernsehen in Form von „Big Brothernoch ihre Perfektion. Die Möglichkeiten, die die technischen Entwicklungen in dem Bereich von E-Watch bieten, dienen hierbei dem Controltainment als eine wichtige Ressource. Gleichzeitig dienen die Entwicklungen auf dem Markt der Unterhaltung für die Implementierung von E-Watch dazu, eine positive Grundstimmung in der Gesellschaft zu erzeugen bzw. zu verstärken. Durch die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von E-Watch und die Entwicklung zum Controltainment entsteht eine Kontrollkultur. Diese Kontrollkultur ist gekennzeichnet durch das Bedürfnis nach Identität der einzelnen Gesellschaftsmitglieder einerseits und das Bedürfnis nach Identifizierung durch Staat und Gesellschaft andererseits. DieserModeder Selbstzurschaustellung und (Selbst-)kontrolle erwächst ein Kult(ur)charakter von Kontrolle, der eine Frage des Stils oderLifestylesund auch der Ästhetik ist.


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