In gewissen akademischen Kreisen, vor allem unter Medizinern und Juristen, ist die Anrede »Herr Kollege, Frau Kollegin« schon ab dem ersten Semester üblich, wie ich als Jurastudent schon erfahren durfte. Die meisten Professoren redeten uns so an, was in mir - wie wohl den meisten - eine gewisse Mischung aus Stolz, Unbehagen und dumpfem Ehrgeiz wachrief. Heutezutage bezeichnen sich Juristen im allgemeinen und Anwälte im besonderen ebenso wie Mediziner und Ärzte ebenfalls als Kollegen. »Ich saß da neulich mit ein paar Kollegen in der Kneipe ...« - damit werden nicht etwa Mitarbeiter derselben Kanzlei, Praxis, Gericht oder Krankenhaus gemeint, sondern Standesgenossen. »Kollegialer Umgang« ist ferner eine sogar in diversen Verordnungen und Satzungen normierte »Berufspflicht« - »unkollegiales Verhalten« ein Tatbestand, der durch Verweise, Rügen und Geldbußen der Anwaltskammer geahndet werden kann. Umfang, Inhalt, Reichweite und Grenzen der Kolligialitätspflicht ist ein gerne ausgiebig diskutiertes Thema auf Anwaltstagen, Kammerversammlungen und dergleichen mehr.
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