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Baumhaus schrieb am 27.8. 2009 um 19:09:46 Uhr über

Kleid

Gerade war ich einkaufen. Ich schlenderte ein bisschen durch die Gänge, weil ich mir Zeit nehmen wollte. Lange nicht mehr nach dem Appetit eingekauft, das ist ein Genuß für sich: Einfach schauen, was so in den Regalen liegt und dann auf den Bauch hören. Der sagt schon, was er will.

Jedenfalls schlenderte ich durch die Gänge und hatte gerade eine Dose CornedBeef in den Wagen gelegt, als sie mir auffiel: Eine Frau, schätzungsweise 45, also in einem Alter, daß sie meine Mutter hätte sein können, mit orangefarbenenen Kleid, das unten in Fransen endete und oben recht großzügig Hautpartien freiließ. Blondiertes, mittellanges Haar, eine schwarze Sonnenbrille, hochgeklappt, eine graue Designer-Tasche. Und Korksandaletten.
Nicht, dass die Frau etwas besonderes war. Aber in dem Moment, als ich sie sah, war ich fasziniert von ihr. Ihr Blick, ihr Gang waren so souverän, so sicher und lebensgewandt. Sie war nicht hektisch, nicht gestresst. Sicherlich keine Managerin.

Ich folgte ihr an die Kasse. Sie legte sehr ruhig ihre Waren aufs Band, zahlte sehr ruhig ohne auch nur für einen Augenblick den Gesichtsausdruck zu wechseln. Nur ein kurzes Lächeln huschte über ihre Mundwinkel, als sie der Kassiererin einen schönen Tag wünschte.

Weil sie noch ihre Waren in die Tasche packte (sie hatte nur ein Päckchen Kokosflocken und einen Nachfüllpack Waschpulver »Meister Proper« gekauft) verließen wir gleichzeitig den Kassenbereich. Ich mit dem Wagen, sie mit ihrer Tasche. Und wir gingen dem Ausgang entgegen.

So etwas wie ein Genießen erfaßte mich. Wir gingen nebeneinander, das war ungewönlich. Normalerweise versuchen Leute zu vermeiden, neben einer unbekannten Person zu laufen, werden schneller oder langsamer. Das ist mir schon oft aufgefallen. Aber die Frau mit dem Kleid wurde weder schneller noch langsamer. Sie lief in ihrer souveränen Art neben mir her. Etwas in mir verfing sich in der Träumerei, wie das wohl wäre, wenn ich mit dieser Frau zusammen sein würde. Wenn wir ein Paar wären. Und hier eben vom Einkaufen nach Hause gehen würden. Ein sehr angenehmes Gefühl, das ich so noch nicht kannte.

Erst auf dem Parkplatz schlug sie eine andere Richtung ein. Als ich den Wagen zurückbrachte, wagte ich es mir, mich noch einmal nach ihr umzudrehen. Sie hatte ihre schwarze Sonnenbrille heruntergeklappt. Aber ich war mir sicher, daß sie zu mir sah.

Für eine kleine Weile hatte sie mich verzaubert. Sie - oder ihr Kleid?


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