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tootsie schrieb am 7.3. 2006 um 16:22:11 Uhr über

Klapsmühle

An meine Klapsmühlenzeit habe ich überwiegend positive Erinnerungen. Ich bin den Leuten dort sehr dankbar. Sie haben mir gezeigt, was LEBEN heißt.

Ich habe die Tagesklinik als Werkzeug betrachtet, um mir selbst zu helfen. Nachdem das Trauma rausgewühlt war und ich den Schmerz über meine Demütigung ertragen habe, den ich so lange vor mir verstecken konnte, musste ich mich auf den langen Weg zu mir selbst machen.

Anfangs hatte ich das Gefühl, ich SEI die Borderline-Störung. Ich war so gierig darauf, eine Identität zu haben und mich in dem wiederzufinden, was »Hans mein Igel« ist. Ich hatte viel mit den anderen Bordis auf Station zu tun und fühlte mich verstanden. Ich bin eingetaucht in einen Strudel aus Projektionen, Übertragungen und Albträumen, der mich fortgerissen und zu dem zurückgetragen hat, was von mir übrig war.

Ich habe meiner Ärztin nicht glauben können, dass es möglich sei, den zerbrochenen Spiegel zusammenzusetzen. Es schien mir unmöglich, die einzelnen Scherben, deren jede einen Teilaspekt meiner Persönlichkeit reflektiert, aneinanderzufügen.

Dann kam das Schattenbild. Ich sollte meinen Schattenriss, der mithilfe einer Handlampe und eines Filzstiftes auf eine Bahn dickes Papier übertragen worden war, gestalten. Mein Bild war von Anfang an »anders«. Vielleicht kam es mir auch nur so vor. Schattenbilder sind verdammt individuell. In ihnen spiegelt sich das wieder, woran der Patient krankt.

Zunächst kam ich schleppend vorran, aber nach und nach habe ich Symbole gefunden, die mir ermöglicht haben, mich wortlos auszudrücken. Ich war überrascht! Ich konnte malen?! Nanu? Nicht gerade kunstfertig, aber ausdrucksstark. Das Schattenbild hängt jetzt in meinem Zimmer, und ich weiß, dass Jung seine Freude daran gehabt hätte. Ich kannte die Dinge, die aus meiner Seele geflossen sind, damals noch nicht mit Namen - heute weiß ich, dass ich durch Archetypen meiner Patchwork-Identität auf die Schliche gekommen bin.

Ich habe etwas getan, das mich gerettet hat. Ich habe angefangen, zu individuieren. Vielleicht hat die Ärztin das gemeint, als sie sagte, ich hätte mich auf eine interessante Reise begeben? Vielleicht hat sie das zu jedem gesagt... Fest steht, sie hat es gesagt. Sie hat es zu mir gesagt und es stimmt: ich reise.

Die Therapie ist abgeschlossen - die Reise endet nie. Ich versuche immer noch, aus mir selbst schlau zu werden und mich selbst zu erkennen. Ich benutze das Wissen, das ich im Laufe der Zeit gewonnen habe, als Werkzeug. Ich achte auf die Dinge und die Menschen in meiner Umgebung und frage mich, was sie mit mir machen und was das mit mir zu tun hat. Alles, was ich wahrnehme, sehe ich durch die Filter meines Gehirns. Wenn ich Neues in mir entdecke, entdecke ich Neues in meinem Umfeld. Oder umgekehrt. Inneres ist Äußeres. Tat tvam asi - das bist du. Die Welt ist voller Widerhaken, mit denen man Spiegelscherben aus den dunklen Tümpeln des Unbewussten fischen kann. Ich denke, sich selbst zu erforschen ist die Aufgabe, die jeder Mensch hat. Nur so ist echtes Leben möglich.


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