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Kiwi schrieb am 18.1. 2014 um 03:38:51 Uhr über

Kelter

Eine Kelter (von lateinisch calcatorium, dt. Fußtretung, nach der anfangs üblichen Arbeitsweise des (barfüßigen) Auspressens des Pressgutes unter Einsatz körpereigenen menschlichen Gewichts), regional auch Torkel, ist eine Presse zur Gewinnung von Frucht- und Obstsäften, auch als Vorstufen von Wein und vergorenem Most. Zur Verstärkung des Pressdrucks werden dabei unterschiedliche mechanische Umsetzungsverfahren wie Hebel, Zahnräder etc. sowie Antriebsverfahren (Muskelkraft von Tier und Mensch, elektrische Energie usw.) benutzt.

Verkürzt steht die Bezeichnung auch für ein Kelterhaus, den Raum oder das Gebäude, in dem die entsprechende Presse steht.
Siehe auch: Presshaus

Inhaltsverzeichnis

1 Name und Geschichte
2 Technik
2.1 Baumkelter
2.2 Spindelkelter
2.3 Moderne Keltermaschinen
3 Abbildungen
4 Kelterfeste
5 Literatur
6 Weblinks

Name und Geschichte
Ein Kelter im Schloss Salem von 1706, der »Torkelbaum« ist ca. 11m lang

Keltern (von lat. calcare „mit den Füßen treten“) bezeichnet das Pressen von Weintrauben oder anderen Früchten. Die Früchte liegen meist in bereits zerkleinerter Form als Maische vor, um die Saftgewinnung zu erleichtern. Oft wird keltern auch synonym für die Weingewinnung im Allgemeinen verwendet („Wein wird gekeltert“, d. h. hergestellt).

Landschaftlich sind für Kelter auch die Begriffe Torkel, Torggel oder Torggl gebräuchlich (von mittellateinisch torcula, lateinisch torcular, torculum „Presse“, abgeleitet von torquere „drehen“), vor allem im höchstalemannischen Raum, in der Schweiz, auch Trotte. In Südwestdeutschland bezeichnet der BegriffKelteroder „Torkel“ die Baumkelter, während sich der Begriff „Trotte“ auf die Spindelkelter bezieht.

Über Jahrhunderte wurden Weintrauben ausgepresst, indem die Maische mit den Füßen gestampft wurde. Bei den Römern kamen dann hölzerne Hebelpressen zum Einsatz, sogenannte Kelterbäume oder Baumkeltern. Später wurden Spindelkeltern verwendet, wie sie modernisiert auch heute noch in Gebrauch sind.
Technik
Baumkelter
Plan dreier Baumkeltern in der Kelter von Gemmrigheim (Baden-Württemberg), frühes 19. Jahrhundert

Nördlich der Alpen wurden die Baumkeltern vermutlich direkt von den Römern übernommen; möglich ist jedoch auch eine Wiederbelebung des Kelterbaumes im Rahmen der frühmittelalterlichen Klosterkultur. Die Tatsache, dass viele Bauteile einer Baumkelter lateinische Bezeichnungen tragen, lässt keinen Schluss über deren zeitliche Übernahme im südwestdeutschen Raum zu. Allerdings gibt es bereits in mittelalterlichen Handschriften Abbildungen von Baumkeltern, die fast unverändert bis ins 20. Jahrhundert als Traubenpressen eingesetzt wurden. Wenn die Baumkelter entsprechend groß war, konnte man damit einen Pressdruck erzeugen, der dem moderner Pressen kaum nachsteht.

Zur Bedienung waren mehrere Kelterknechte erforderlich. Zunächstöffneteman den Kelterbaum, indem der schwere Stein auf den Boden gesenkt wurde. Dann schütteten die Kelterknechte die Trauben auf den Presstisch und bedeckten ihn mit Balken, um den Druck gleichmäßig zu verteilen. Der vorab ohne Druck ablaufende Saft, derVorlass“, war der beste und begehrteste Wein. War er abgelaufen, dann drehten die Kelterknechte den schweren Stein am einen Ende des Kelterbaums nach oben, in dem sie das Gewinde an der Spindel nach oben bewegten. Der Stein hing nun frei in der Luft und drückte die schweren Stämme des Kelterbaums nach unten. War der Saft gepresst, musste der Baum erneut geöffnet werden. Mit Hilfe einer Axt zerteilte man den Trester und schichtete ihn neu auf, damit der Pressvorgang wiederholt und damit die Saftausbeute erhöht werden konnte. Erst wenn der Trester weitgehend trocken war, endete das Pressen. Allerdings schüttete man häufig noch Wasser auf den Trester und presste dann noch einmal. Der wässrige Traubensaft wurde zu Wein vergoren und als Haustrunk verbraucht. In manchen Gegenden wurde der frisch gepresste Weinunter der Kelterverkauft, also von den Weingärtnern nicht eingelagert.

Das Keltern von weiteren Obstsorten vollzog sich weitestgehend gleich, nur bei größeren und stabilieren Früchten wie beispielsweise Äpfeln und Birnen muss vorher eine Zerkleinerung erfolgen.

Bereits im 14. Jahrhundert sind Baumkeltern auch in schriftlichen Quellen erwähnt. Vielleicht standen die Baumkeltern anfänglich im Freien, aber spätestens in der Frühen Neuzeit errichtete man Gebäude um sie, damit man die Trauben bei jedem Wetter pressen konnte. Die älteste bekannte Baumpresse im deutschsprachigen Raum befindet sich in Österreich im Weinbaugebiet Kamptal im Weinschlössl Godfried Steinschaden in Engabrunn. Den Pressbaum ziert die Jahreszahl 1564. Die Baumpresse befand sich ursprünglich im Göttweiger Lesehof zu Engabrunn. In den Gegenden mit intensivem Weinbau sind die Kelterhäuser nicht selten die größten historischen Gebäude am Ortabgesehen von den Kirchen, größer als Rathäuser oder Bürgerhäuser. Um die Ordnung in den Keltern aufrechtzuerhalten, erließen die Herrschaften Kelterordnungen, die in den Lagerbüchern oder Urbaren aufgezeichnet sind. Oft waren die Herrschaften für den Unterhalt der Keltern verantwortlich und bekamen dafür einen Teil des gepressten Traubensaftes als Gegenleistung.

Im Weinbaumuseum Metzingen in Baden-Württemberg gibt es das weltweit größte Ensemble von Kelterhäusern. Auf einem ursprünglich am Rande der Stadt gelegenen Platz stehen heute noch sieben Kelterhäuser, die heute anders genutzt werden. In einem Weinbaumuseum ist noch ein Kelterbaum von 1655 zu sehen. Mit den eingemeindeten Orten Neuhausen an der Erms, wo ebenfalls ein Kelterbaum aus dem frühen 17. Jahrhundert erhalten ist, und Glems verfügt die Stadt über zehn ehemalige Keltern. Nur in einer Kelter in Neuhausen werden heute noch Trauben gepresst.

Die Keltern mit ihren Kelterbäumen wurden zum Teil bis in die 1960er Jahre benutzt und erst dann durch elektrische Pressen verdrängt. In den Kelterhäusern waren zumeist mehrere Kelterbäume untergebracht. Nachdem diese nicht mehr gebraucht wurden, brach man die meisten ab, so dass nur noch wenige funktionsfähige Baumkeltern als historische Kulturdenkmale erhalten sind. Überflüssige Kelterhäuser brach man ebenfalls ab oder erhielt sie als markante Gebäude, indem man sie umnutzte. So werden die sieben Kelterhäuser auf dem Platz in Metzingen heute als Festkelter, Wein- und Obstbaumuseum, Verkaufsraum der Weingärtnergenossenschaft, Restaurant, Obstlager, Stadtbibliothek und Marktkelter genutzt.
Spindelkelter

Die ersten mechanischen Keltern erzeugten den zum Pressen nötigen Druck mit Hilfe einer Spindel. Diese Spindelkeltern genannten Spindelpressen benötigen deutlich weniger Platz als Baumkeltern. Wie aus den Abbildungen ersichtlich, bestanden bei den ersten Modellen sowohl Rahmen wie auch Spindel aus Holz. Aus Gründen der Haltbarkeit wurde der Werkstoff im Laufe der Zeit durch Metall ersetzt.
Moderne Keltermaschinen

Moderne Keltermaschinen funktionieren mit Druckluft und automatischer Steuerung.
Abbildungen

Kelterszene auf dem Sarkophag des römischen Stadtpräfekten Iunius Bassus Theotecnius

Baumkelter aus dem 17. Jahrhundert (Stadt Blankenberg)

Torkel in Ravensburg

Spindelkelter in Dirmstein, Nachbau 1984

Weinpresse mit zwei Spindeln (Hoflößnitz in Radebeul)

Spindelkelter mit hölzerner Spindel aus dem 17. Jahrhundert (Kloster Eberbach, Rheingau)

Spindelkelter mit Metallspindel (frühes 20. Jahrhundert, Freilichtmuseum Roscheider Hof)

Äpfel im Wasserbad vor dem Keltern

Abfüllung von Apfelsaft in einer modernen Kleinkelterei

Kelterfeste
Datei:Keltertag2006.ogg
Keltertag im Freilichtmuseum Roscheider Hof

In Südtirol war das Törggelen im Anschluss an die Traubenlese schon seit geraumer Zeit ein festliches Ereignis. Im Zuge der Rückbesinnung auf traditionelle Qualitätsbegriffe bei der Weinherstellung in der Zeit um 1990 entstanden auch in deutschen Wein- oder Mostgegenden Kelterfeste beziehungsweise Keltertage. Dabei werden Weintrauben oder Obst öffentlich gekeltert, das Ergebnis kann dann an Ort und Stelle verkostet werden. Typischerweise kommen hier handbetriebene Spindelpressen zum Einsatz. Eine Besonderheit sind die rekonstruierten römischen Keltern an der Mosel. In diesen wird bei Kelterfesten die Maische traditionell mit den Füßen gestampft.
Literatur

Eberhard Fritz: Die Verbesserung des Weinbaus in Württemberg unter König Wilhelm I. (1816–1864). Silberburg-Verlag, Tübingen u. a. 1994, ISBN 3-87407-179-0.
Robert Fritz: Die Arbeit im Jahreslauf eines Weingärtners in alter Zeit. In: Schwäbische Heimat. Nr. 44, 1993, ISSN 0342-7595, S. 352–363 (mit ausführlicher Beschreibung der Funktionsweise einer Baumkelter).
Karl-Josef Gilles: Neuere Forschungen zum römischen Weinbau an Mosel und Saar (= Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier. Nr. 11). Rheinisches Landesmuseum, Trier 1995, ISBN 3-923319-30-9 (formal falsche ISBN),.
Michael Matheus, Lukas Clemens: Keltertechnik in karolingischer Zeit. In: Friedhelm Burgard, Christoph Cluse, Alfred Haverkamp (Hrsg.): Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit. Beiträge zur mittelalterlichen und geschichtlichen Landeskunde (= Trierer historische Forschungen. Bd. 28). THF – Verlag Trierer Historische Forschungen, Trier 1996, ISBN 3-923087-27-6, S. 255–265.
Michael Matheus, Lukas Clemens: Weinkeltern im Mittelalter. In: Uta Lindgren (Hrsg.): Europäische Technik im Mittelalter. 800 bis 1200. Tradition-Innovation. Ein Handbuch. Gebr. Mann, Berlin 1996, ISBN 3-7861-1748-9, S. 133–136.
Karl Heinz Stocker: Der Kelterbau im Stromgebiet des Neckars. Verlag am Klosterthor, Maulbronn 1990, ISBN 3-926414-01-4.

Weblinks
Commons: Wine pressesSammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kelter – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Römische Keltern an der Mosel
Keltertag im Freilichtmuseum Roscheider Hof, Konz/Mosel: Video



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