ehrenwert. Und noch früher gab es eine kleine, tapfere, aber verschwindende Minderheit, welche Menschen, die als Juden oder aus anderen Gründen bedroht waren, versteckten.
Verglichen mit der Summe der Abschiebungen - zur Zeit der Entstehung der meisten Zufluchtsgruppen wie heute - wirkt solche Unterstützungsarbeit eher symbolisch oder wie ein Tropfen auf den heißen Stein: 1988 wurden 2793, 1990 aber bereits die doppelte Zahl von Menschen abgeschoben, zwei Jahre später insgesamt 10.798 Menschen, und ab 1993 kommt es mit
36.415 Abschiebungen pro Jahr zu einer weiteren Verdrei-
fachung der Gesamtzahl, die von da an auch konstant bleibt.
Was ist schon die Verhinderung einer einzigen Abschiebung
angesichts mehr als 36.000 nicht verhinderter Abschiebungen? Trotzdem: Wie viele Tausend hatten am @Tag X', am 26. Mai 1993, in Bonn gegen die Abschaff-ung des Artikels 16 Grundgesetz protestiert, wie viele haben in den letzten Jahren, auch aus Wut gegenüber rassistisch motivierten Brandanschlägen neofaschistischer I(leingruppen, Kontakte zu Flüchtlingen entwickelt. um sich damit der Praktischen Auseinandersetzung gegen den Rassismus zu stellen?
lnhaniche Ansätze
Um ihr Selbstverständnis zu klären, könnte sich die radikal politisch begründete Arbeit mit Flüchtlingen durchaus an einige Ansätze der Geschichte des Widerstands in diesem Land nach 1945 erinnern. Gleichwohl haben sich die meisten Gruppen nicht im bevmßten Bezug zu den nachfolgend umrissenen Ansätzen gebildet.
Ausländische ArbeitnehmerInnen, sogenannte Gastarbeiterwaren es, die in den großen Betriebskämpfen ZU Beginn der 70er Jahre die Streiks gegen die Fließbänder führten. Im Gefolge der ersten großen Krise der Weltwirtschaft wurden AnWerbestops durch die deutsche Bundesregierung verhängt, nicht zuletzt um den radikalen Teil der Migrantlnnen zurück schaffen zu können. Flüchtlinge insbesondere aus lateinamerikanischen und arabischen Ländern hatten und haben sich mit den Verwicklungen des deutschen Imperialismus in die Herrschafts-
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strukturell ihrer Herkunftsländer auseinanderzusetzen; Exilorganisationen werden verboten. weil sie die außenpolitischen Interessen der deutschen Regierung gefährden. Die Kritik an diesen Verboten wurde in Westdeutschland zunächst vorrangig unter den Aspekten anti-imperialistischer Gesinnung diskutiert, kaum allerdings unter den Vorzeichen einer tendenziell rassistischen Grundstimmung in diesem Land. Erst in den 80er Jahren wurde Migration auch in Teilen der westdeutschen Linken Überhaupt thematisiert und noch später erst wurden praktische Initiativen dazu entwickelt.
Zu dieser Zeit hatte die offizielle Politik schon Strategien zur Ausgrenzung von Flüchtlingen entwickelt: Asylanten-Sammellager", die der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Späth ausdrücklich als Abschreckungsmaßnahme' bezeichnete. Anfänglich stieß dies zwar noch auf Widerspruch, da Sammellager - so fürchtete der damalige Innenminister Gries in Hessen - zwangsläufig Züge von Konzentrationslagern aufweisen' würden. Derartige Hemmungen geraten jedoch bald in den Hintergrund. Die Aufgabe der politischen Durchsetzung der Abschiebelager hatten mittlerweile andere übernommen wie die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien in Hessen - l(lemm von der SPD und der spätere Justizminister Plottnitz von den Grünen. Beide reisten viel herum und forderten effektivere Maßnahmen' zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes. Im November 1992 glänzte Plottnitz mit der Forderung nach Einrichtung geschlossener Lager, jeder neue Asylbewerber müsse sich freiwillig' zu einem maximal zweimonatigen' Lageraufenthalt bereit erklären, während über seinen Antrag entschieden werde. Dabei seien dann Abschiebungen direkt aus den Lagern möglich. Diesen Vorschlag versuchte der Grüne, als einziges Mittel und kleineres Übel gegenüber einer Grundgesetzänderung und der Zurückweisung der Flüchtlinge an den Grenzen zu verkaufen.
Gegen diese Ausgrenzungstrategien wurden von antirassistsichen Gruppen aus einer gesellschaftlichen Minderheitenposition heraus die Forderungen nach offenen Grenzen, freien Flüchtlingsstädten und anderen Freiräumen entwickelt. Disku-
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