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Prediger schrieb am 19.12. 2006 um 12:39:13 Uhr über

Kapielski

Thomas Kapielski wurde in Berlin-Charlottenburg geboren und lebte mit Schwester und Eltern dort in seinen ersten Jahren. Nach dem Umzug nach Berlin-Neukölln besuchte er die Fritz-Karsen-Schule in Berlin-Britz. Nach dem Abitur studierte er Geografie, Philologie und Philosophie an der Freien Universität. Zum Ende der 1970er Jahre begann Kapielski mit seiner umfassenden künstlerischen Betätigung. Er schrieb Konzeptuelles, begann mit Objekten, Fotografien, Collagen und Gemälde, die Alltägliches aufgriffen, mit Texten verbanden und das Absurde, Außergewöhnliche des gewöhnlichen Lebens hervorhoben.

Ab Anfang der 1980er Jahre wurde Kapielski dann auch als Musiker tätig, wobei erunter anderem gemeinsam mit Frieder Butzmann – meist minimalistische, avantgardistische Stücke aufnahm und aufführte, die Alltagsgeräusche, Krach und Worte mixten. Zu dieser Zeit begann Kapielski verstärkt zu fotografieren und etablierte in den folgenden Jahren eine außergewöhnliche Art von Diashows. Die Zuverlässigkeit von Hafthaken, die kleinsten Reisebüros der Welt, Autos mit wunden Augen und andere Erfahrungen aus der äußeren Welt wurden zu Dia-Abend-Themen.

Eine erste Veröffentlichung, Der bestwerliner Tunkfurm erschien 1984. In den nächsten Jahren nahmen Kapielskis literarische Aktivitäten (kombiniert mit Diaschauen), oft gemeinsam mit Helmut Höge und Sabine Vogel, stark zu. Das Geografie-Studium wurde währenddessen zu Ende gebracht, ein Musik- und Theologiestudium begonnen. Kapielski entwickelte sich in den 80er Jahren zu einem Geheimtip der Berliner avantgardistischen Szene. Seine außerordentliche sprachliche Begabung wurde bald von Literaturkritikern mit der eines Lichtenbergs oder Arno Schmidts verglichen. Im Maas Verlag erschien »Aqua Botulus«, im Karin Kramer Verlag »Der Einzige und sein Offenbarungseid: Verlust der Mittel«. Regelmäßige Kolumnen in der taz folgten, bis sie von der herrschenden politischen Korrektheit beendet wurden - Kapielski hatte eine Diskothek als »gaskammervoll« bezeichnet.

Kapielski ließ sich davon nicht ins Bockshorn jagen, sondern schrieb mehr und besser denn je. DIE ZEIT, FAZ, Frankfurter Rundschau publizierten seine Beobachtungen aus dem normalen Leben. Der Verlag Zweitausendeins und auch das Valentin-Musäum in München erkannten in den 80ern, welch multimediales Genie in der inselartigen Berliner Subkultur zugange war und veröffentlichten seine bildnerischen und sprachlichen Werke für eine größere Öffentlichkeit, so auch die beim exklusiven Berliner Merve Verlag erschienenen Bände Davor kommt noch und Danach war schon, die auf der SWF-Bestenliste landeten. 1999 wurde er zum Ingeborg-Bachmann-Preis nach Klagenfurt eingeladen, wo er trotz grandiosem Auftritt keinen Preis gewann, weil er dem Literaturpreiswesen einen allzu deutlichen, zu komischen Spiegel vorhielt und es als einziger der versammelten Dichter wagte, sich ganz normal mit Jörg Haider zu unterhalten.


Es folgten die Tagebuch-Romane »Sozialmanierismus« und »Weltgunst« bei Merve und Zweitausendeins, die zwischen Aphorismen, genialen Jetzt-Zeit-Geschichten und Kalauern und sprachlich zwischen Benn und Robert Walser changieren.

1999 erhielt er den Sprengel-Preis für Bildende Kunst der Niedersächsischen Sparkassenstiftung. Von 1998 bis 2004 war er als hochgeschätzter Gast-Professor für Performance an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig tätig.

Sein soziologischer Einsatz ist in der Verteidigung des Stammtisches als Ort der freien Rede und der Kneipe per se ((Weltkulturerbe »Goldener Hahn« am Heinrichplatz chez Inge mit Bernd Kramer) nachzuvollziehen. Musikalisch ist Kapielski zur Zeit bei dem Original Oberkreuzberger Nasenflötenorchester aktiv. Künstlerisch hat er sich in den Jahren 2005 und 2006 wieder mehr dem Bildnerischen zugewandt: als besondere Form der Kunstbetriebskritik macht er sich in mehreren Einzelausstellungen (Berlin, Zürich) mit Ölgemälden (Ölschinken) auf intelligente Art über die Mechanismen der Wertschöpfung durch Kunst lustig. Seine Kunsttheorie dazu ist im Buch »Anblasen« im Merve-Verlag 2006 zu lesen.

Wer mehr wissen möchte, sei an Kapielskis aktuellen writersblog im Verlag Zweitausendeins verwiesen



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