Sie verheimlicht ihren fünf Kinder, was passiert ist. Gladis Maria Belez Castillo (35) bringt es nicht über sich, ihnen zu erzählen, dass sie schwer verletzt in der Uni-Klinik von Madrid liegt. »Soll ich ihnen etwa sagen, dass ich hier bin, weil es Feiglinge gibt, die unschuldige Menschen mit Bomben töten und verletzen?«
Gladis Maria ist Kindermädchen. Jeden Morgen fährt sie mit dem Pendlerzug zur Arbeit. So auch am Donnerstag: »Ich stieg an der Station El Pozo in den dritten Wagen. Weil die Bahn voll war, konnte ich nur stehen. Plötzlich hörte ich einen lauten Knall, sah einen riesigen, weißen Blitz auf mich zurasen. Dann wurde ich durch die Gegend geschleudert, schlug durch die Scheibe der Tür auf die Gleise.«
Danach wurde die fünffache Mutter ohnmächtig. »Als ich wieder zu mir kam, hörte ich Schreie – laute, verzerrte Todesschreie. Ich kriegte keine Luft mehr. In meiner Brust war ein stechender Schmerz.« Die 35-Jährige verlor wieder das Bewusstsein, erwachte erst im Krankenhaus.
»Ich lag auf dem Flur, wusste immer noch nicht, was überhaupt passiert war. Um mich herum ein unvorstellbares Durcheinander: überall blutüberströmte Menschen, Ärzte rannten über die Gänge.« Zu diesem Zeitpunkt suchte ihr Mann verzweifelt nach Gladis Maria. Daniel Gonzalo (45, Fabrikarbeiter): »Ich hatte im Radio von den Anschlägen erfahren. Mein erster Gedanke war: Oh, Gott! Meine Frau war in diesem Zug!« Stundenlang telefonierte er sämtliche Krankenhäuser der Stadt ab – nichts!
Dann der Anruf aus der Uni-Klinik: »Ihre Frau ist schwer verletzt. Sie hat eine Lungenquetschung, Schnittverletzungen und Prellungen an der Wirbelsäule.« Trotzdem war er erleichtert: »Ich war froh, dass sie noch lebte...«
Seit dem Unglück ist Daniel Gonzalo Tag und Nacht bei seiner Frau, schläft in einem Sessel neben ihrem Krankenbett. Manchmal wacht er auf, sieht, dass seine Frau im Schlaf weint. Gladis Maria: »In meinen Träumen höre ich die lauten Schreie, das Wimmern der Sterbenden, die verzweifelten Rufe der Rettungskräfte. Ich sehe blutende, reglose Menschen.« Ob sie diese Bilder je vergessen wird...?
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