Vergangenen Samstag ist Jolyon Brettingham Smith gestorben. Mit 58. Ich habe es heute morgen um viertel nach neun im Autoradio gehört, als ich in der um diese Zeit stets gewärtigen Hoffnung, genau von seiner Stimme durch das Klassikforum von WDR3 moderiert zu werden, auf die Autobahn Richtung Roermond bog, um einmal mehr die dortigen Scherzartikelverkäufer zu beschengen. Die Nachricht hat mich wirklich getroffen, ich spürte ein schmerzliches Groken in der Brust und ja, ein paar Tränen habe ich darüber zu einer sehr schönen Musik von Ralph Vaughan Williams nach einem Thema von Thomas Tallis auch vergossen. Das ist an und für sich nichts so Seltenes bei einem eher empfindsamen Menschen wie mir - wobei, keine falschen Schlüsse bitte, meist geh ich als ziemlicher sauerländischer Knochen durchs Leben! - doch das ich das letzte mal um einen mir nicht im mindesten persönlich bekannten Menschen geweint hätte, das ist mir das letzte Mal, denke ich, als 15jährigem beim Tode von John Lennon widerfahren. Doch ach, John-Lennon-liegt-im-Grab-und-kackt-in-den-Sarg, doch mit JBS habe ich unzählige fast private Stunden verbracht, durchaus tauig keusch, doch immer gebadet von seinem wohltuenden englisch gefärbten Bariton, der konnte ansagen was es auch immer war, auch wenn seine erkennbaren Schwerpunkte, vor allem die english connection, für meinen Altmodler-Geschmack manch impressionistische Treibhausblüte zeitigten. Ich bin schon wieder, genauer gesagt immer noch traurig. Seit dem Tod meiner Mutter habe ich außer meinen Männern und einigen anderen Moderatoren wohl nur noch wenigen Menschen so oft zugehört wie ihm. Einfach nach der Sendung totgeblieben, aus dem Leben gerissen, so sagt man wohl. Wie ein Buch, das nach einem Kapitel abbricht. Eine Winterreise ohne Baches Wiegenlied. Gott, die arme Familie, der hatte glaube ich total viele Kinder... Wobei ich da nie gestalkt oder auch nur groß recherchiert habe, Jolyon Brettingham Smith, und trotz der relativen Länge des Namens kann ich ihn nie anders als mit vollem Namen denken, Jolyon Brettingham Smith war einfach Radio, das kam noch aus einer Zeit vor dem Internet und hat mich auch immer irgendwie ein wenig dort gehalten, in den braunen Ledercouchen der Düsseldorfer Innestadt etwa. Ich hab ihm glaube ich nur einmal geschrieben, so als Hörerwunsch, wobei diese Sparte glaube ich eh nie sein Ressort war. Aber er oder jemand anders wird den Wunsch, vielleicht ein wenig schmunzelnd, weitergereicht haben, denn in der Rückerinnerung dürfte der Brief schon etwas schwul rübergekommen sein, inklusive des gewünschten 'Ich bin eine Blume zu Saron' von Dietrich Buxtehude. 1988/89 muss das rum gewesen sein. Oder war es der Schubert von Karl Erb, einige Jahre später? Egal, zweimal im Leben habe ich einen Hörerwunsch ans Radio geschickt, damals noch beide per Post, heute wollen die Redaktionen ja mit Mails zugeschüttet werden, scheint es, und beide Male fiel auch der Name Jolyon Brettingham Smith. The song has ended, but the melody lingers on. Ich habe schon einmal im Leben eine wunderschöne Männerstimme verloren. Stimmen sind etwas sehr, sehr kostbares. Das Gesicht wird immer mit Fotos ins Gedächtnis zu bringen sein, aber wieviel seltener sind meist die Momente, die man eine Stimme konserviert hat? Ich habe noch eine Tonbandspule, ein alter Freund Konrads hatte sie mir aus Kanada geschickt. 8 Minuten, auf denen Konrad spricht. Ich habe sie bis heute nicht angehört, ich kann es noch nicht. Bei JBC ist es umgekehrt, fast wünschte ich, sie würden einfach alle seine Sendungen in den gewohnten Abständen erneut ausstrahlen, es werden genug für 20 und mehr Jahre sein. Ich könnte mit diesem Betrug fast leben, auch wenn es ein wenig unheimlich wäre.
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