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Johannes Dornseiff schrieb am 28.12. 2023 um 00:23:07 Uhr über

JohannesDornseiffsSprachanprangerung

Auf Wunsch zahlreicher Blasternutzer jetzt endlich ein paar Auszüge aus meinem hier schon 2007 angekündigten Buch »Sprache wohin
S. 14f.

1) Die Grundbegriffe

Ausgangsform: er trifft

1) er trifft - er wird getroffen Aktiv - Passiv
2) er trifft - er treffe Indikativ - Konjunktiv
3) er trifft - er traf
Präsens - Imperfekt
4) er trifft - er wird treffen
Präsens - Futur
5) er trifft - er hat getroffen
Präsens - Perfekt
2) Indikativ und Konjunktiv (Aktiv) in allen Zeiten (außer Futur II)

Präsens:
er trifft
- er treffe
Perfekt:
er hat getroffen
- er habe getroffen
Futur:
er wird treffen
- er werde treffen
Imperfekt:
er traf
- er träfe
Plusquamperfekt:
er hatte getroffen
- er hätte getroffen
er wurde treffen«)
er würde treffen (Konditional)
3) Die vier einfachen Formen:

Ind. - Kj.
Ind. - Kj.
Ind. - Kj.
Präsens:
ist - sei
kommt - komme
hofft - hoffe
Imperfekt:
war - wäre
kam - käme
hoffte - hoffte
Übungsschema:

Einst war er ...; jetzt ist er nicht mehr ... ; wenn er noch ... wäre, .... Man sagt, er sei ....

Einst kam er ...; jetzt kommt er nicht mehr ... ; wenn er noch ... käme, .... Man sagt, er komme ....

Einst hoffte er ...; jetzt hofft er nicht mehr ... ; wenn er noch ... hoffte, .... Man sagt, er hoffe ....

Nicht »wenn er noch hoffen würde« (1), und noch weniger »Man sagt, er würde hoffen« (2)!

S. 22 bis 24

a) Von Typ I bis zu Typ II: Die zukünftigen »Wenn-dann«-Gefüge

Der elementarste Typ von »Wenn A, dann B«-Gefüge ist

(I) »Wenn du X tust, tue ich Y«, genauer »Wenn du gegen mich (oder auch für mich) X tust, tue ich gegen dich (bzw. für dich) Y«. Eventual-Drohung oder auch Eventual-Versprechen (Tauschvorschlag).

»Wenn du mich schlägst, trete ich dich

Oder auch

»Wenn du mir dabei hilfst, gebe ich dir ein solches Stück
Davon kann man übergehen einerseits zu

(I A) Wenn ich X tue, tut er Y. (Überlegung des Angesprochenen von (I).)

Wenn ich ihn schlage, tritt er mich. [Auch ohne vorausgehende Drohung des Andern möglich. Vgl. Wenn ich seinen Springer schlage, zieht er c3 - c2.]

Wenn ich ihm dabei helfe, gibt er mir ein solches Stück. [Im allgemeinen nur nach vorausgegangenem Versprechen des Andern. ]
andererseits zu

(I B) Wenn er X tut, tue ich Y. (Überlegung des Sprechers von (I).)

Wenn er mich schlägt, trete ich ihn. [Auch ohne vorausgehende eigene Drohung möglich. Vgl. Wenn er meinen Springer schlägt, ziehe ich c6 - c7.]

Wenn er mir dabei hilft, gebe ich ihm ein solches Stück. [Im allgemeinen nur im Zusammenhang mit einem Versprechen, entweder als Überlegung vor dem Versprechen oder als Vorsatz nach dem Versprechen.]
Von (I A) kann man verallgemeinernd übergehen zu

(I/II A) Wenn ich X tue, geschieht Y. [(I A) ist davon ein Spezialfall.]

Wenn ich stark dagegen drücke, weicht es / gibt es nach. [Was eine erwünschte, aber auch eine unerwünschte Folge sein kann.]

Wenn ich auf den Knopf drücke, kommt der Aufzug. [Meist erwünscht: »Wenn ich will, daß der Aufzug kommt, muß ich auf den Knopf drücken.«]

Wenn ich den Stein ins Wasser werfe, entstehen Wellenkreise. [Weder erwünscht noch unerwünscht; Beispiel für ein universales »Wenn-dann«-Gefüge.]
Hier ist X Ursache, Y Wirkung. (Wobei X, obwohl es zunächst ein Tun, d.h. das Tun eines Täters ist, als Geschehen aufgefaßt wird: Auch wenn der Stein in Wasser fiele, ohne daß ihn jemand geworfen hätte, auch wenn das Ding einen Druck erführe, ohne daß jemand drückte, wäre X Ursache von Y, ja gerade dann: ein Geschehen kann nur durch ein Geschehen bewirkt werden.)

Daß starker Druck Nachgeben bewirkt, ist fast schon a priori bekannt / erkennbar; umgekehrt hat, daß der Knopfdruck das Kommen des Aufzugs bewirkt, mit dem Tun innerlich gar nichts zu tun und kann durchaus nicht a priori gewußt, ja nicht einmal nachher verstanden werden: ein Knopfdruck kann, je nach dem Apparat, zu dem der Knopf gehört, ganz Verschiedenes bewirken. Daß ein Steinwurf Wellen erzeugt, ist zwar gewiß nicht a priori zu erkennen, aber man kann es aufgrund von Gewohnheit für einsichtig halten, und wenn nicht, kann man sinnvoll fragen, warum es so ist d.h. sein muß.
Von (I B) kann man verallgemeinernd übergehen zu

(I/II B) Wenn X geschieht, tue ich Y. [(I B) ist davon ein Spezialfall.]

Wenn der Bus schon abgefahren ist, gehe ich zu Fuß.

Wenn Feuer ausbricht, werde ich löschen.

Wenn es herauskommt, bringe ich mich um / werde ich mich umbringen.
Von (I/II A) einerseits und andererseits (I/II B) kann man verallgemeinernd übergehen zu

(II) Wenn X geschieht, geschieht Y. [(I/I A) und (I/II B) sind davon zwei entgegengesetzte Spezialfälle.]

Wenn er hingeht, findet er es heraus / wird er es herausfinden.

Wenn er mit dem Läufer zieht, verliert er.

Wenn der Teller hinfällt, zerbricht er.

Wenn der Stein ins Wasser fällt, entstehen Wellenkreise.

Wenn er davon trinkt (oder auch getrunken hat), wird er bald einschlafen.

Wenn der Kahn ein Leck bekommt, wird er untergehen.

Aber auch

Wenn er gähnt, wird er bald einschlafen.

Wenn es hell wird, wird es bald warm werden.
Hier in der zweiten Gruppe ist X (das Gähnen, das Hellwerden) nicht Ursache, sondern nur Vorzeichen von Y. Ursache des Einschlafens ist nicht das Gähnen, sondern die Müdigkeit, und die verursacht schon das Gähnen. Ursache der Wärme ist nicht die Helligkeit, sondern das Feuer - das schon die Helligkeit verursacht.

S. 72f.

Konstruiertes Beispiel für richtige »indirekte Rede«:

Direkt (= wörtlich):

Wir werden dem Vorschlag niemals zustimmen. (Futur) Wir glauben nämlich nicht an den guten Willen der Vorschlagenden. (Präsens) Sonst würden wir es vielleicht tun. (Konditional)

Indirekt (= nichtwörtlich):

Sie würden dem Vorschlag niemals zustimmen. (Konditional) Sie glaubten (sic!) nämlich nicht an den guten Willen der Vorschlagenden. (Kj. Imp.) Sonst würdensie es vielleicht tun. (Konditional).

S. 74f.

Konstruiertes Beispiel:

»Der Lehrer hat gesagt, seine Schüler würden dieses Buch lesenHat er nun gesagt »Meine Schüler werden (oder auch würden) dieses Buch lesen« oder »Meine Schüler lesen dieses Buch«? Im ersten Falle ist der Konditional richtig, im zweiten Falle steht der Konditional zu Unrecht, statt läsen.

S. 86f.

c) Müntefering hat - angeblich - gesagt: »Über die Agenda 2010 werden noch einmal Bücher geschriebenIm Aktiv würde aber auch er sagen »... wird man noch einmal Bücher schreiben« (und nicht »... schreibt man noch einmal Bücher«). Also muß es heißen »... werden (Fut.) noch einmal Bücher geschrieben werden (Pass.)«.

d) Noch eine Stufe scheußlicher ist das Folgende: »daß die Vereinbarungen funktionieren und eingehaltenwürden«. - Hier soll das würden für funktionieren mitgelten. Ausführlich: »daß die Vereinbarungen funktionieren würden und eingehalten würden«. Aber die beiden würden sind ganz verschieden: das erste kommt vom futurischen, das zweite vom passivischen werden. Ferner, wenn das erste würden richtig ist - d.h. wenn das Funktionieren (oder Nichtfunktionieren) noch in der Zukunft liegt -, so muß es, da dann auch das Eingehaltenwerden (oder Nichteingehaltenwerden) in der Zukunft liegt, bei dem zweiten Verbum heißen eingehalten werden würden. Also heißt es richtig »daß die Vereinbarungen funktionieren und eingehalten werden würden«. (Oder auch umgestellt »würden funktionieren und eingehalten werden«.) - Wenn das Funktionieren und Eingehaltenwerden (bzw. Nicht-Funktionieren und Nicht-Eingehaltenwerden) aber jetzt schon stattfindet, muß die erste Form geändert werden: »daß die Vereinbarungen funktionierten und eingehalten würden«.

S. 88

a) Im Radio gehört (etwa): »Die Brände« (in Australien) »wüten seit zwei Wochen und zerstörten bereits ...« Unmöglich! Besonders nach dem Präsens wüten. Richtig: »... und haben bereits ... zerstört«.

S. 93f.

c) Ausländer in Amerika wieder hingerichtet. Das würde heißen: Ein Ausländer, der sich in Amerika aufhielt, ist zum zweiten oder x-ten Male hingerichtet worden. - Richtig: In Amerika wieder (ein) Ausländer hingerichtet.

d) Neuer Seelsorger im Gefängnis. Man denkt: Was hat der neue Seelsorger wohl ausgefressen, daß er jetzt im Gefängnis ist? - Richtig: Im Gefängnis neuer Seelsorger. (Vielleicht sollte man auch gar nicht im Gefängnis, sondern am Gefängnis sagen. Dann wäre der Satz auch bei der schlechteren Wortstellung unmißverständlich.)

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p) Anfang eines Artikels: Ein einäugiges Haus-Känguruh hat sich in Australien als Lebensretter verdient gemacht. (Ein weitgereistes Känguruh!) Besser: In Australien hat sich ...

q) Anfang eines Artikels: »Ein Tierquäler hat in Gütersloh einen entlaufenen Hund aufgegriffen, im Wald an einen Baum angebunden und ihm auch noch das Maul mit Klebeband umwickelt.« Was kann man auch von einem Tierquäler Besseres erwarten? Berichtigung: »In Gütersloh hat ein Mann ..«. Daß das Tierquälerei ist, brauchte der Verfasser nicht zu sagen. Wenn, dann etwa »In Gütersloh hat ein Mann Tierquälerei begangen, indem er ...«

S. 98f.

d) Der Kölner OB Harry Blum ist gestorben. »Ministerpräsident Clement (SPD) und Kardinal Meißner bekundeten ihren Respekt vor dem zwei Meter großen PolitikerSolch eine Statur muß ja auch Respekt einflößen!

e) (Mord an Ehefrau) Ein Polizeisprecher: »Es deutet einiges darauf hin, daß der Mann nicht akzeptieren wollte, daß sich seine Frau Mitte Juni von ihm trennen wollteWäre ihm ein anderer Zeitpunkt genehmer gewesen? (Übrigens, wenn schon, dann s e i t Mitte Juni. Das war nämlich gemeint.)

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g) »Das Trio zerrte die ... Frau ... Einer riß ihr die Kleider vom Leibe, die beiden anderen fielen ... über das hilflose Opfer her. Anschließend erdrosselten sie ... Die Videoaufzeichnung in einem Tankstellenshop ... brachte die Polizei auf die Spur der Gelegenheitsarbeiter.« War das eine Gelegenheitsarbeit? Richtig: der Täter.

h) »Ein 44jähriger Mann hat in Bad Liebenzell seine gleichaltrige Frau und die (richtig: seine) zwei Kinder erschlagen. Danach verbrannte sich der Diplomkaufmann im Keller seines HausesWelcher Diplomkaufmann? Gemeint ist nicht irgendein vorher erwähnter Diplomkaufmann, sondern der Täter. Richtig: »verbrannte er sich«. Wenn man den Beruf überhaupt erwähnen will, dann eher zu Anfang, etwa »In Bad Liebenzell hat ein Mann (Diplomkaufmann, 44 Jahre) seine Frau (ebenso alt wie er) ...« [Die Lebensalter der beiden gehören nämlich eigentlich auch nicht in den Satz.]

......................................

j) Schlecht ist auch »Die Mutter von drei Kindern gehört keiner Partei an«. Verbessert: »Sie hat drei Kinder. Einer Partei gehört sie nicht an

S. 103

10) Der weggelassene Artikel: Hochtraberei

Eine andere stilistisch-grammatikalische Unsitte ist das Weglassen des Artikels aus Hochtraberei. (Scheinbare Ursprünglichkeit plus scheinbare Genauigkeit). Wo der schlichte und natürliche Sprecher die Schule oder die Sprache oder die Kirche sagt, sprechen die neuen Propheten von Schule und von Sprache und von Kirche.

Da hört und liest man denn Schule braucht .... Richtig: Die Schule braucht. Oder Umgang mit Sprache. Richtig: Umgang mit der Sprache. (Übrigens ist auch Umgang hier hochtrabend, wie mit seinen Gefühlen umgehen.) Oder die Frage eines Theologen »Wie muß Kirche aussehen, daß sie ...« Richtig: die Kirche (und wohl auch besser [statt daß] damit). [Ich glaube, Kirche tut sich in dieser gefühligen Hochtraberei besonders hervor.] - (Eine Schulministerin hat laut Zeitung gesagt:) Familie verliert an Autorität ... Richtig: Die Familie ... Eine Schlingensief-Verehrerin schreibt an den »Spiegel«: »Nun ist Oper wieder lebendig - meine Hochachtung!!« Richtig: die Oper.

[Daß man statt auf die Dauer heute gern auf Dauer sagt, hat einen ganz anderen Grund: forsche Kürze, wie Schnitt statt Durchschnitt, s.u. S. 130]

S. 116

17) Unsitte des Sprecherwechsels (Nachtrag)

Das gibt es vor allem im Radio. Ein Text, der kein Drama ist, also von einer Person - als Redner oder Vorleser - vorzutragen ist, wird auf mehrere Sprecher verteilt. Diese scheinbare, diese äußere Lebendigkeit beeinträchtigt die Sammlung des Hörers, also die wahre, die innere Lebendigkeit.

S. 117

II 1) Albernheiten

Es heißt nicht nichtsdestotrotz, sondern nichtsdestoweniger. nichtsdestotrotz war ursprünglich eine scherzhafte Verballhornung, wurde aber dann durch häufige (und zunehmend alberne) Wiederholung für viele zu dem eigentlichen Wort. Und das richtige Wort geriet ihnen in Vergessenheit. - Und es heißt nicht Herr Sowieso, sondern Herr Soundso.Wortgeschichte wie im vorigen Fall.

S. 119

Es heißt normalerweise nicht »Es fanden sich gerade malfünfzehn« und auch nicht »Es fanden sich ganze fünfzehn Zuschauer ein«, sondern »Es fanden sich nur« oder »nicht mehr als fünfzehn Zuschauer ein«.

S. 121

... Noch grotesker: Der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses wird auch weiterhin Herwig Haase heißen. - Ähnlich falsch ist Der Bürgermeister heißt jetzt ...; richtig Der neue Bürgermeister heißt ... - und auch das nur, wenn sein Name noch kein Begriff ist. Sonst: ist. - Der neue Führer der Tories heißt seit gestern Michael Howard. Wie hat der neue Führer der Tories denn vorher geheißen? Richtig: Führer der Tories ist seit gestern Michael Howard.

S. 131

im Vorfeld der Konferenz? Warum nicht einfach vor der Konferenz? Das Vorfeld ist eigentlich das Gelände vor der eigenen Front. Was hat das mit dem zeitlichen vor zu tun? Schlechtes und völlig überflüssiges Bild.

Sage nicht Strategie, wo Methode - oder manchmal Plan - genügt. (Strategie klingt kriegerisch-großartig.)

Ebenso steht es oft mit Offensive, etwa als Pünktlichkeitsoffensive (der Deutschen Bahn AG): das ist doch, soweit es nicht bloß die Öffentlichkeit beeindrucken soll, nichts anderes als eine Bemühung um Pünktlichkeit, ein Versuch, pünktlicher zu werden.

Sage nicht Debakel, wo Niederlage genügt. (Auch ein Fall von Großmäuligkeit.) [Kann auch zur Fremdwörterei gerechnet werden.]

S. 137f.

Man sage auch nicht nachvollziehenund nachvollziehbar, wenn verstehen und verständlich genügt. Schlimme Beispiele: a) (Merkel:) »Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie Frau Baumeister ihre persönlichen Befindlichkeiten auf dem Rücken von Wolfgang Schäuble ausbreitetFrüher hätte man eher gesagt »Es ist mir unverständlich, daß ... so ausbreitet«, oder auch »Ich kann es nicht billigen«. (Das Übrige des Satzes - die auf Schäubles Rücken ausgebreiteten persönlichen Befindlichkeiten - ist nicht besser.) b) »Dieses Verbrechen kann ich nicht nachvollziehen.« (Das klingt schon fast wie nachmachen.)

S. 143

Man bereitet sich nicht für etwas, sondern auf etwas vor.

Man bewirbt sich nicht für etwas (eine Stelle, die Aufnahme in ...), sondern um etwas.

Es heißt nicht gefeit vor ... (wie geschützt vor ...), sondern gefeit gegen ... (wie gepanzert gegen ...). [Fei = Fee, feien = mit einem Feenzauber versehen.]

Eine Todesstrafe wird nicht zu lebenslänglicher Haft, sondern in eine solche Haft verwandelt (oder eher umgewandelt).

Der Hurrikan Dennis nähert sich nicht unaufhörlich, sondern unaufhaltsam der Halbinsel Florida. (Weil sich nähern ein zielgerichtetes Verbum ist.) [Dagegen: »Er singt unaufhörlich.«]

Zwei Dinge stimmen nicht geradewegs überein, sondern geradezu. (Das heißt noch nicht ganz, völlig, aber doch mehr als nahezu, beinahe.) [Dagegen »Er schreitet geradewegs ins Verderben.«]

S. 156

[Ein Kind zu anderen Kindern über meine Mutter und mich: Das sind alte Leute. Möglicherweise abfällig gemeint, aber wie viel besser als alte Menschen! Und man wird auch kein Kind finden, das so widerlich spräche. Noch nicht.]

S. 156f.

»Blinde Menschen können ... ihre Stimme mit Hilfe einer Wahlschablone abgebenRichtig: Blinde.

»Interessenten, vor allem Rentner und behinderte Menschen, ...«: Sind Rentner keine Menschen? Richtig: Behinderte. (Die Angemessenheit des Wortes behindert einmal vorausgesetzt.)

S. 159f.

»... mahnte, die Sorgen der Menschen über die Talfahrt des Euro ernst zu nehmenHier läßt sich nicht so einfach der Menschen durch der Leute oder der Bürger ersetzen oder ganz weglassen. ... Letztlich sind es die Menschen, die ernst genommen werden sollen. Und so liest man denn sogar Wir nehmen die Menschen ernst. (So die Selbstanpreisung einer Partei, der CDU. ...)

Das Gegenteil dieses Die-Menschen-ernst-Nehmens heißt menschenverachtend; hier schlägt das angebliche Die-Menschen-ernst-Nehmen in Demagogie, ja Volksverhetzung um. (Eine Waffe der political correctness. Vgl. Dieter E. Zimmer, Deutsch und anders, S. 154.) [Mein Buch »Recht und Rache« wurde wegen eines »menschenverachtenden« Abschnitts (S. 121f.) in die Bibliothek des »Instituts für Philosophie« der Universität Rostock nicht aufgenommen.]
S. 180

Zu der eigentümlichen Gerechtigkeit der sogenannten Gleichberechtigung:

a) Frauen kriegen ebenso viel Rente pro Monat bzw. pro Jahr, obwohl sie einige Jahre länger leben. b) Frauen müssen nicht »dienen«, dürfen aber - neuerdings - vom Dienen nicht ausgeschlossen werden. c) Daß viel mehr männliche als weibliche Schüler sitzenbleiben, stört nicht; sobald aber mit »Informatik« ein Fach auftaucht, in dem die Jungen besser sind, ist sofort von einer Trennung nach Geschlechtern die Rede. d) Auch im Sport - in der Schule sowohl wie im öffentlichen Sport - werden die Geschlechter getrennt - zum Vorteil des weiblichen Geschlechts. e) Die geringe Anzahl der weiblichen Genies liegt angeblich an den Verhältnissen, die geringe Anzahl der weiblichen Gewaltverbrecher an der Natur.
S. 181

Übrigens: Wenn schon, warum dann nicht überall? Warum nicht Fußgängerinnen - Fußgänger und Fußgängerinnen bitte die andere Straßenseite benutzen - und Schwarzseherinnen (bzw. Pessimistinnen)? Und warum nicht Verbrecherinnen und Verbrecher, Betrügerinnen und Betrüger? Und auch im Singular: Wo bleibt die Schraubenzieherin, die Büchsenöffnerin? Und wie wäre es mit einer Atomreaktrix? Und einer schnellen Brüterin? Und wieso ist der WDR ein Sender und nicht eine Senderin?

S. 203

großdeutsch, das wird - sei es aus antinationalem Fanatismus sei es aus einfacher Unbildung - meist als Schimpfwort gebraucht, so als ob da die Grenzen der eigenen Nation imperialistisch überschritten würden. Aber das war mit dem »Großdeutschen Reich« nicht gemeint: Hitler war der Gegensatz großdeutsch-kleindeutsch natürlich noch geläufig, und damit auch, daß die großdeutsche Einigung (mit den deutschen Teilen Österreichs) eigentlich das Wünschbare und Natürliche gewesen wäre, daß in der kleindeutschen Lösung ein Verzicht lag.

S. 209f

Da ist zweitens der Vorwurf, daß der Purismus - als »Deutschtümelei« verunglimpft - mit Nationalismus, deutlicher: mit rassistischem Nationalismus verwandt sei: der selbe Reinheitswahn, der selbe Überlegenheitswahn, die selbe Fremdenfeindschaft. - Nun ist es aber zunächst einmal nicht wahr, daß der Nationalsozialismus - der ist es ja, oder vielmehr: dessen Niederlage ist es ja, welche den Nationalismus so in Verruf gebracht hat - Fremdwörter abgelehnt hätte: Nationalsozialismus ist kein urdeutsches Wort, und Propaganda auch nicht. Und die deutsche Schrift ist gerade im »dritten Reich« - etwa 1940 - abgeschafft worden. Auch liegt der Fremdwörterei keine Einwanderung Fremder und keine rassische Durchfremdung zugrunde, und umgekehrt wirken sich die letztgenannten Vorgänge nicht in Fremdwörterei aus. Und vor allem: soweit die genannte Verwandtschaft tatsächlich bestehen sollte, so spräche sie weniger gegen den sprachlichen Purismus als vielmehr für den rassistischen Nationalismus. (Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?)

Beweisen läßt sich die Schlechtigkeit / Minderwertigkeit der Fremdwörterei natürlich so wenig wie die der Pornographie oder der Korruption (des Bestechens und Sichbestechenlassens); für all diese schönen Dinge kann man - und zwar im Gefühl der Vorurteilslosigkeit und damit Überlegenheit - plädieren und argumentieren.
S. 221

Deutsche Nachbildungen des Englischen:

Zwei besondere Häßlinge:

1) einmal mehr. Auf deutsch heißt das wieder, wieder einmal, ein weiteres Mal, manchmal auch noch einmal. [Und es heißt nicht »Dieser Anschlag ist einer mehr in einer Reihe ...«, sondern ein weiterer.]

2) Sinn machen.[Gehört auch zur Angeber-, zur Großmaulsprache. - Ich glaube, es ist auch im Englischen schlecht; stammt vielleicht aus Amerika.)

Es heißt nicht Das macht keinen Sinn, sondern Das hat keinen Sinn oder Das ist nicht sinnvoll. - Man sagt ja auch nicht Das macht keinen Wert, Das macht keinen Zweck. [Der Sinn eines Wortes ist der Sinn, den das Wort (nicht macht, sondern) hat, der Sinn bzw. Zweck einer Handlung ist der Sinn bzw. Zweck, den die Handlung hat, u.s.w.]

Noch schlimmer ist das Sinn machen unverneint: Das macht Sinn. Denn im negativen Fall wird nur hat zu macht verdorben, im positiven Fall aber fehlt auch der Artikel einen. Es heißt ja nicht Es hat Sinn, sondern Es hat einen - oder seinen - Sinn (oder Es ist sinnvoll).[Während man sagen kann Darin sehe ich keinen Sinn, ist Darin sehe ich Sinn sprachwidrig. (Desgleichen Das läßt Sinn erkennen.)]


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