Ich habe Menschen getroffen, die ihren Glauben gelebt haben, durch Werke der Nächstenliebe, der Selbstachtung in Bescheidenheit, durch einen offenen, bewußten Umgang mit dem was sie als die Schöpfung Gottes betrachtet haben, und die sich dennoch Lebens– und Liebesfähigkeit bewahrt haben, Sinnenfreude und Weitsicht. All diese Menschen waren Katholiken. Die evangelische Kirche hingegen, und besonders ihre sektiererischen Abspaltungen wie Freikirchen, Jesusfreaks und alle Formen von –isten sind der großen Lüge vom Vorrang des Wortes vor der Seligmachung durch Taten erlegen, und produzieren wie ihr säkulares Gegenstück, die Werbeindustrie nur einen aus selbsterhöherischer Geltungssucht und slebstläuferischem Multiplikationswillen gespeisten Wust papierner Halbweisheit. Sie sind nicht von Gott erwählt, sie haben Gott erwählt, haben sich ein Bild zurechtgelegt, das sie in eifernder Einfalt gegen eine Wirklichkeit zu verteidigen suchen, die ihren immer neuen Exegesen und Uminterpretationen des verkündeten Wortes stets um einige Schritte hinterherhnken wird. Und am Ende dieses Hase–und-Igel–Spiels bleiben verdorrte Seelen zurück, verhärtete Herzen und Unmengen missionarischen Schrifttums, das in wenigen Jahren keiner lesen wird.
|