Du bist einzigartig und endlich. Du bist in jedem Moment einzigartig. Du bist über bestimmte endliche Zeitabschnitte einzigartig. Deine Art, dich am Kinn zu kratzen. Deine Pickel am Ohr. Dein Jucken am Oberarm. Deine unsortiertes Streben nach der vollständigen Sammlung dieser Groschenromane. Deine Kommafehler. Dein wüstes Grinsen, wenn jemand die Geschichte von H. und der verschütteten Milch erzählt.
Das alles entspringt dieser einzigartigen Konstellation, die, äußerst grob betrachtet und fast unzulässig unscharf zusammenaddiert, jenes »Du« ergibt.
Daß die Grenzen der Person offensichtlich nicht so scharf sind, wie sich das mit Lehrbuchwissen vielleicht schließen läßt, irritiert dich leicht. Dein Faible für schwere, düstere elektronische Musik, sog. Industrial, und deine gleichzeitige verklärte Hingezogenheit zu minimalistischen Klavierstücken machen dich manchmal befangen. Daß es so gar keine Schubladen geben soll, erscheint dir doch etwas dreist. Aber wo du hinschaust, Abweichung. Nichts ist hundertprozentig, nicht das Schwulsein, nicht die Freude am neuen Auto, nicht die Sicherheit, die Haustür wirklich abgeschlossen zu haben - außer: der Tod. Der ist wirklich sicher.
Kollaps des Ich, des Du, dessen, was man als Quell der Person bezeichnen könnte, dieser permanent produzierenden Identitätsmaschine.
Freilich ist das inakzeptabel, daher erfand man ganz schnell Jehova, Jesus, Mohammed und Konsorten. Ewigkeit soll doch bitteschön auch für Personen gelten, nicht nur für Steine. Also: Heaven, Himmel, Hölle, das, wo wir alle hinkommen, wenn das Fleisch anfängt wegzufaulen. Was die Person ohne Fleisch jedoch sein soll, darüber wird sich ausgeschwiegen. Seele, Geist, Ich - irgend ein ewiges Selbst, das herumatmet aber nichts mit Luft zutun hat.
Der Mensch muß schließlich ewig sein. Mir bleibt (leider) dazu nur ein Kommentar: nein, muß er nicht.
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