Frieda Jansen ist Anfang dreissig. Eine hüpsche junge Frau: mittelgroß, dunkelblondes Haar, und eine wohlgeformte Figur prägen ihr Aussehen. Man sieht, daß sie sportlich ist. Man sieht aber auch, daß ihrem Wesen etwas strenges innewohnt. Ihre Gesichtszüge sind straff und beherrscht hinter einer riesig wirkenden Brille, die ausschaut, als ob sie stets von ihrer Nase zu rutschen droht. Es ist ihre Arbeitsbrille, die sie zuhause an ihrem Schreibtisch trägt, in ihrem Dienstzimmer im Landgericht, und bei Sitzungen. Sie ist bequem, praktisch - und die wenig vorteilhafte Optik empfindet Frieda Jansen sogar als vorteilhaft. Zu hüpsch soll eine Richterin ihrer Meinung nach auch nicht aussehen. In ihrer Freizeit trägt sie eine rechteckige, schmale Kunststoffbrille, die wesentlich besser ausschaut, ja sogar irgendwo etwas sexy ist. Frieda Jansen, die im Sitzungssaal »Frau Vorsitzende« genannt wird, oder in der Geschäftsstelle, der Kantine oder im Dienstzimmer »Frau Jansen« lässt sich von ihren Freunden gerne »Fritz« nennen - doch die Personen, von denen sie sich »Fritz« nennen lässt, sind in den paar Jahren, seit sie Richterin ist, merkwürdigerweise immer weniger geworden.
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