»Jamel/Wismar - Ein schönes Dorf ist Jamel nicht. Nicht mehr. Eine Hand voll Häuser, viele stehen leer und zerfallen. Im alten Gutshaus sind alle Fenster zerschlagen. Und im Forstweg 10 hat es vor ein paar Tagen gebrannt. «Verpisst euch" hatte vorher jemand an eine Hauswand geschrieben.
Es ist nicht das erste Mal, dass in der nordwestmecklenburgischen Gemeinde ein Haus in Flammen stand. Jetzt schlägt der Bürgermeister Alarm: »Hier herrschen Tyrannei, Terror und rechtsradikale Umtriebe«, sagt Fritz Kalf (72, SPD). Seit zehn Jahren schon treibe eine Familie ihr Unwesen. »Das Dorf ist in Angst.«
Von einst 48 Einwohnern sind noch 20 übrig. »Die alten sterben, neue werden nicht geduldet und vertrieben«, sagt Kalf. Das Haus im Forstweg 10 habe eine Familie aus Bosau bei Eutin gekauft. Schon während der Renovierung im Sommer sei zweimal eingebrochen worden - jetzt der Brand. Für den Bürgermeister gibt es keinen Zweifel, wer hinter diesen und früheren Taten steckt: Sven K. (29) und seine Leute. »Die Familie lebt nach dem Motto: Was in Jamel passiert, bestimmen wir«, sagt Kalf. Polizei und Staatsschutz wüssten Bescheid, »aber es ändert sich nichts«.
Sven K. ist bei der Polizei kein Unbekannter: Diebstähle, Körperverletzungen, Landfriedensbruch mit rechtem Hintergrund, »insgesamt 44mal wurde gegen ihn ermittelt«, sagt der Schweriner Polizeisprecher Klaus Wiechmann. Auch bei dem brutalen Skinhead-Überfall auf eine Jugendgruppe auf dem Campingplatz in Leisten 1996 war K. einer der Rädelsführer und wurde verurteilt. Im Juni dieses Jahres gab es in einem nahe gelegenen Wald mysteriöse Schießübungen. Die Polizei beschlagnahmte zwei Fahrzeuge in Tarnfarbe und mit Wehrmachtssymbolen - eins soll Sven K. gehört haben.
»Wir ermitteln in jedem Fall«, sagt Wiechmann. Akribisch hat die Polizei die Strafanzeigen der letzten Jahre aus Jamel jetzt zusammengetragen. Ein Diebstahl und eine Brandstiftung seien aufgeklärt: »Sven K. war nicht der Täter«, sagt der Polizeisprecher. Alles Weitere laufe noch. Den Vorwurf, in Jamel zu wenig oder nichts zu tun, weist er zurück. »Wir fahren vermehrt Streife.«
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(Quelle: HamburgerAbendblatt, Dienstag, 11. November 2003)
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