Namensanziehung und ihre Folgen für die zu benennenden Kinder verläuft in Trendwellen, und nachdem die vielbelächelten Jacquelines und Kevins, Larse und Kims mehrheitlich unter der Erde oder im Sprachheilkindergarten untergebracht zu sein scheinen, ist die Invasion der Laramarachiarasaraklone, der Lucas und Leons über uns gekommen, eine Art mediterrane Urlaubserinnerung, den Marinas und Claudias der 60er Jahre nicht unähnlich. Mich macht das alles eher schaudern und lässt mich einmal mehr zu einem verstärkten Rückgriff auf ältere heimatsprachliche Quellen plädieren, neben Richard und Konrad etwa auch jene Sitte bei der Mädchenbenennung, die uns heute besonders verzopft anmutet, nämlich die der zusammengezogenen Doppelnamen: Hannelore (=Johanna Leonore), Anneliese (Johanna Elisabeth), Lieselotte (Elisabeth Charlotte) usw., darunter auch das zarte Blümchen Ingelore. Der Name weist wie die zuvor genannten in eine Zeit, als das Kaiserreich in Trümmern lag und kein Platz mehr für Meta und Thusnelda, Wilhelmine und Adelaide war. Man war modern, daher die Verknappung zweier Namen, die für sich genommen jeweils so neutral als möglich gehalten waren - die Zusammenziehung schuf einen Neologismus, griffig und vertraut wie eine Resopalplatte. Ingelores hatten einen letzten Rest deutscher Romantik in das nordisch straffe Heer der Helgas und Karins getragen, den Mütterhekatomben einer Zeit als-Willy-Brandt-Bundeskanzler-war, sauber wie eine Lux vor dem ersten Bad in ihren modulverbauten Kiefernholzheimen. Ingelore fing noch Stichlinge, als Birgit schon den Jungs nachschaute. Sie ist nie dasMädchenmitdengrößtenBrüsten, doch vielleicht ein Kunstgeschichtehauptfachmädchen. Ingelore klingt eher nach einer Art, die Zöpfe nach hinten zu werfen als nach einer Fußballtrainerin. Ingeloren mögen es nicht, wenn man sie Ilo abkürzt. Oder aber sie haben ihren vollen Namen längst vergessen. Eine neuzeitliche Trägerin dieses Namens muss sich nicht wie eine Anne oder Hannah, Lisa oder Mary mit hunderten historischen und künstlerischen Vorbildern abplagen, meines Wissens hat nicht einmal Hermann Löns die Ingelore besungen. Wer kennt noch Ingelore Lohse, 400 Meter-Meisterin der DDR, Jahrgang 1945? Ist Ingelore Rosenkötter, die Bremer SPD-Senatorin (*1953) auch außerhalb der Hansestadt ein Begriff? Ingelore Warsow, Phlebologin, die Sachbuchautorin Ingelore Ebberfeld, das mögen verdienstvolle Persönlichkeiten sein, jedoch keine übermächtigen Rolemodels, an denen sich die neuen Ingelores in aussichtslosem Bemühen abarbeiten müssen. Raum genug für eine neue Generation Ingelore, eine Ingelore, die Ingrid und Leonore zugleich sein kann und doch immer [bricht ab]
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