»Wer die Südstaaten der amerikanischen Union kennengelernt hat, wird sein Lebtag nicht den an grellen Farben reichen und zugleich überquellend menschlichen Eindruck vergessen, den die dortigen Neger auf den Besucher machen. Die sonderbare Daseinsform dieser 'afrikanischen Horde auf amerikanischem Boden' — um Walter Rathenaus berühmten Ausdruck abzuwandeln — hat verschiedenartige Hintergründe. Ein heißes Klima sorgt für die zwanglose Öffentlichkeit des familiären und nachbarlichen Lebens; im Verein mit dem stark geselligen Sinn der Neger und andererseits ihrer schärfen Abtrennung vom Lebensraum der weißen Bevölkerung führt sie zu einem beinahe herdenhaften Zusammengehörigkeitsbewußtsein, das zur kollektiven Volksseele wird. Hinzu treten gewisse Überbleibsel aus der afrikanischen Urheimat, halb versteckte Gebräuche und Riten, die in Zeiten persönlicher oder rassischer Krisen mit intensiver Gewalt unter dem Deckmantel der sonst nur zu eifrig angenommenen christlichen Zivilisation hervorbrechen, Diese Kultreste äußern sich zum Beispiel in unartikulierten Lauten und heftig gestampften Rhythmen, die sie unter ihre vielen frei improvisierten gesanglichen oder religiösen Lebensäußerungen mischen. Bleibt endlich noch ihr unnachahmlich reizvoller Dialekt zu erwähnen, letztenendes eine Untermalung des gründlich verbalhornten Amerikanischen mit dem musikgeladenen Tonfall ferner afrikanischer Sprachen, der ihnen noch im Blute liegt. «
Aus einer Schallplattenkritik zu Gershwins 'Porgy and Bess' in der ZEIT, 18.08.1955
|