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beat suter schrieb am 21.11. 2001 um 01:07:44 Uhr über

Immersion

Dieser »neue Realismus« basiert auf den Grundfesten der neuen Technologien und könnte in Zukunft bestimmen, wie der Leser lesen wird. Hypertext Fiction und Interaktive Narrationen enthalten dank ihrer narrativen Strukturen eine große Fülle von Details, die einem Leser zur Entdeckung offen stehen. Der Leser, der diese Details ausfindig machen und einordnen will, muss eine immersive Rolle annehmen und Teil der Fiktion werden. Douglas veranschaulicht dies einleuchtend anhand einiger Sequenzen aus Jordan Mechners The Last Express (1997), einem herausragenden Orient-Express-Krimi-Spiel, das den Leser zur handelnden Figur in der Person des jungen Robert Cath macht. Wie in anderen Adventure Games wird der Leser direkt in die lebensweltlichen Geschehnisse mit einbezogen: Er kann wie auf einer richtigen Bahnreise immer wieder Gespräche anderer Bahnreisenden mit anhören, er kann und muss Mitreisende ansprechen, belanglose und wichtige Dialoge führen, Beobachtungen verschiedener nebensächlicher Begebenheiten anstellen und selbstverständlich strategisch und zweckgebunden handeln. Die zentralen Eigenschaften guter Adventure Games treten besonders klar zutage: Jede Handlung, welche der Spieler als Hauptfigur der realistischen Fiktion vornimmt, muss zweckorientiert sein, ein falscher Entscheid in einem falschen Moment hat schwerwiegende sofortige Konsequenzen und kann das Spielvergnügen vorzeitig beenden.

Eine derartige Immersion in Narrationen vertieft nach Douglas ohne Zweifel das Streben nach einem »neuen Realismus« (S. 165f.). Dies nicht zuletzt auch, weil das Erschaffen einer interaktiven Narration wie The Last Express auf der Autoren- oder Regisseurenseite einen relativ großen Aufwand mit Skripten und Subskripten bedingt, welche die potenziellen Interessen und Wünsche der Leser antizipieren, mögliche Verhaltensmuster, Bewegungen, Dialoge und Aktionen sorgfältig planen und orchestrieren müssen und damit die eigentliche Basis für die Skripte, die Szenen, Sequenzen und Handlungsabläufe für den Leser legen. Douglas sieht in dieser Zentriertheit auf den Leser und sein tatsächliches Verhalten den »neuen Realismus«. In diesem »New Realism«, einem Begriff, den sie vor allem auch an Joyces Afternoon, a Story festmacht, sieht sie eine Chance, die der neugeborenen Technologie erlaubt, aus dem Medium eine Quelle der Unterhaltung zu machen, die zugleich Exploration und Flucht vermitteln kann und ihre ästhetischen Aspekte genauso gut an den Leser, User oder Zuschauer bringt wie ein Roman oder ein Film.



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