Über Identität
Wer bist Du? Was bist Du?
Wer oder was ist »ich«?
Man trifft sich und sagt:
- Ich bin Grafiker. (Hm, sehr trendy.)
oder
Ich bin Elektriker. (Handwerk, wird immer gebraucht.)
oder
Ich bin Student. (So so, Parties. was?)
oder
Ich bin arbeitslos. (Armer Kerl.)
Ist denn der Mensch, was er tut?
Kann »Kaufmann« oder »Architekt« die Identität eines Menschen sein? Weiß der Gesprächspartner nach dieser Vorstellung irgend etwas über das wirkliche Ich?
- Ich bin ein Mann. (Siehst aber kaum so aus...)
oder
Ich bin eine Frau. (Emanze, wie du aussiehst.)
oder
Ich habe lange als Mann gelebt, wußte aber immer, daß ich in Wirklichkeit eine Frau bin. (Häh?!)
Ist denn der Mensch, was er oder sie (oder was auch immer) zwischen den Beinen hat?
Kann der Mensch immer nur eins von beiden sein?
- Ich bin Deutscher. (So ein Nigger wie du kann nicht deutsch sein.)
oder
Ich bin Amerikaner. (Wo ist dein Cowboyhut?)
oder
Ich bin Inder. (Du riechst ja gar nicht nach Curry!)
Ist denn der Mensch nur ein Produkt seiner Kultur?
Werden alle Amerikaner oder Japaner geklont?
- Ich bin Buddhist. (Ständig grinsen und meditieren, was?)
oder
Ich bin Moslem. (Hilfe, Hisbollah!)
oder
Ich bin Christ. (So ein Spinner von Jesus-Freak.)
oder
Ich bin Heide. (Häh?! So ein Nazi-Esoteriker, oder?)
oder
Ich bin Freimaurer. (Komischer Verein...)
Ist denn der Mensch, was er glaubt?
Der Glaube eines Menschen formt seine Wahrnehmung der Welt, doch sehen zwei Buddhisten durch die gleichen Augen, fühlen zwei Christen mit dem gleichen Herzen?
Warum suchen die Menschen nach Schubladen, in die sie andere Menschen stecken können? Warum stecken sie sich selbst freiwillig in Schubladen? Gewinnt der Mensch so Identität, oder baut er sich nur eine Maske?
Was tut der Mensch, der nicht in die vorgesehene Schublade paßt?
Ist ein Mensch denn so völlig anders, wenn er oder sie hetero oder homo, schwarz oder weiß, männlich oder weiblich, dick oder dünn, arm oder reich ist? Was macht die Person unter der Oberfläche wirklich aus?
Warum bist du ein Freak, wenn du nicht in eine Schublade paßt oder passen willst? Warum bauen sich selbst Freaks wieder neue Schubladen? Und wie kann aus all diesen Fragmenten, all diesen Splittern menschlichen Lebens, eingeordnet in Schubladen, eine Identität, ein Ich entstehen?
Wo ist es, hinter all diesen Masken? Du suchst nach dir selbst und findest nichts, keiner zuhause. Dreh dich um, wechsle die Perspektive und frag dich: Wer führt die Suche an?
Wer bist du jetzt? Wer warst du gestern, vor einem Jahr, vor zehn Jahren? Wer wirst du morgen sein?
Kannst du dieses wirbelnde Universum deiner Innenwelt überhaupt zu einem »Ich« komprimieren?
Wann kannst du sagen: »Ich bin«?
Wann fühlst du dein Sein?
Wenn du fast vergißt. daß du bist? Wenn du träumst, daß du fliegst? Wenn du dich mit einem geliebten Menschen in völliger Ekstase vereinigst? In tiefer Meditation? Im Tanz? Bei einer religiösen Zeremonie? Im Rausch?
Warum nicht im Alltagsleben? Weil du dich hinter all deinen Masken nicht mehr spüren kannst? Weil du nicht du bist, sondern deine Rolle - Verkäufer, Kunde, Chef? Bist du dann nur ein Roboter, der sein Programm abarbeitet?
Bist du dann kein Mensch?
Ein Mensch, der ein Mensch ist, so wie ein Baum ein Baum ist oder ein Tiger ein Tiger, keiner wie der andere. Ein Mensch, der auch ein Tier ist, mit den Bedürfnissen eines Tieres, auch wenn dieses Tier mehr Möglichkeiten hat als irgendein anderes.
Ein lebendes, atmendes, sterbliches Wesen aus Fleisch und Bein, wie eine Schneeflocke im Feuer der Zeit, auf halbem Wege zwischen Tieren und Göttern.
Sei ein Gott! Sei ein Tier!
Aber sei kein Roboter. Du hast eine Seele, wie alles, was lebt, und du bist keine Maschine
Fühle die Leidenschaft in dir. Hab keine Angst vor dem Schmerz, den sie mit sich bringt; er ist nur der gerechte Preis für Freude und Glück. Umarme beide!
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