Liebesgedicht auf die Mädchen, die keiner liebt
Schön war keine. Und keine hatte Idealgewicht.
Und sie rauchten wie Männer. Und ihre Unterwäsche
war nie was Besonderes. Aber
es gibt Stunden, wo es guttut, an sie zu denken,
und sich zu wundern, daß es sie gibt. Immer waren
sie da, vor allem immer, wenn man sie brauchte.
Ob nackt oder nicht, nie richteten sie Schaden an.
Sie bevorzugten das reine Vergnügen in der Sekunde
ihrer Entstehung. Das Bett füllte sich mit Dankbarkeit.
Es machte Spaß, wie sie sich mit dem begnügten,
was Spaß macht. Es passierte nicht viel. Wie gern
ich das hatte. Ich habe ihnen zugehört. Wie gern
ich zuhörte. Viel verstand ich nie. Wie gut das tat.
Trotzdem verliebte sich nie einer in sie. Auch wir
beließen es dabei, uns zu lieben. Und nie verriet
auch nur die Bewegung einer Augenbraue
ein Bedauern, daß die Welt, in die wir zurückkehrten,
Unglück prophezeit.
(Wolf Wondratschek, Die Gedichte, S. 477.)
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