Wie fühlt man sich wohl als 19jähriger Geschädigter eines Auffahrunfalls, wenn du dein lachhaftes Ausbildungsgehalt in einem der unschönen Vororte der hessischen Landeshauptstadt verdienst, eine 10 Jahre alte Klapperkiste vom Schlage Polo fährst und von einem Benz beim Einparken so eine verpasst bekommst, daß du den Schadenverursacher bitten mußt, dir das Geld schnellstmöglich zu überweisen, weil die 350 Euro für dich ein schwer aufzubringender Betrag ist, du das Auto aber dringend für die tägliche 20 km - Fahrt in die Tretmühle brauchst? Was empfindest du, wenn der Verursacher dir das Geld tatsächlich am nächsten Tag überweist, sich aber beim Onlinebanking mit den Kommas vertut und dir 35000 Euro überweist? Ist das eine Verführung? Take the money and run? Einmal im Leben dicke Hose machen? Schampus in der Femina - Bar, nicht nach morgen fragend? Oder gleich ein Ticket nach Übersee gebucht? Andererseits, wäre es noch eine Null mehr gewesen - fast eine halbe Million Dollar, dafür würde sich der Ausstieg lohnen. 35.000, das ist, so aberwitzig es klingt, zum Sterben zuviel, zum Leben auf der Flucht zu wenig. Also wohl zähneknirschend auf Bitten hin zurücküberweisen und sich in den Hintern beißen, sich so bereitwillig mit der reinen Schadensbegleichung begnügt zu haben, anstatt einem Geldsack, dessen Konto offenbar eine fünfstellige Überweisung so gut verträgt, eine anständig überhöhte Schadenersatzforderung mitsamt Strafandrohung in den Kasten flattern zu lassen, um wenigsten ein, zwei Hunderter für all den Ärger herausgeschlagen zu haben - wie fühlt sich so einer? Ich kann es nicht beurteilen, sondern bin bloß mit dem Trottel verheiratet, der das Geld überwiesen hat. Und der seit Stunden innerlich nägelkauend vor dem Telefon sitzt und auf einen Rückruf wartet.
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