»Man darf nicht vergessen, daß die psychologische, psychiatrische und medizinische Kategorie der Homosexualität sich an dem Tage konstituiert hat, wo man sie – und hier kann der berühmte Artikel Westphals von 1870 über die «conträre Sexualempfindung» die Geburtsstunde bezeichnen (1) – weniger nach einem Typ von sexuellen Beziehungen als nach einer bestimmten Qualität sexuellen Empfindens, einer bestimmten Weise der inneren Verkehrung des Männlichen mit dem Weiblichen charakterisiert hat. Als eine der Gestalten der Sexualität ist die Homosexualität aufgetaucht, als sie von der Praktik der Sodomie zu einer Art innerer Androgynie, einem Hermaphroditismus der Seele herabgedrückt worden ist. Der Sodomit war ein Gestrauchelter, der Homosexuelle ist eine Spezies.«
(1) C. Westphal, Die conträre Sexualempfindung, in: Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 2, Berlin 1870, S. 73–108.
Michel Foucault, Der Wille zum Wissen (Sexualität und Wahrheit 1), S. 78
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