Es ist vermutlich schwer, ohne Emotionen an dieses Thema heranzugehen, besonders dann, wenn man Jude oder Deutscher ist - ich kenne Leute, die beides sind, aber ich kenne keinen davon gut genug, um die inneren Konflikte dieser Menschen zu verstehen - doch ich denke, daß eine allzu emotionale Betrachtung dieses schrecklichen Themas den Blick dafür verstellt, wie der Holocaust immer wieder instrumentalisiert wird. Im Gegenteil, erst durch den emotionalen Blick auf den Holocaust wird die Instrumentalisierung überhaupt ermöglicht! Wir sollten alle begreifen, daß der Holocaust, so schrecklich er war, Vergangenheit ist, ein weiteres Beispiel dafür, wie grausam Menschen gegeneinander sein können, wovon es in der Geschichte aber bereits unzählige gab. Dies konkrete Ereignis wird sich nicht wiederholen, aber wenn wir es emotionslos betrachten und nüchtern analysieren, können wir erkennen, wie die Mechanismen aussahen, die in der Welt des 20. Jahrhunderts zu diesem Punkt geführt haben, und vielleicht können wir die Weiterentwicklung derartiger Mechanismen in heutigen Gesellschaften sehen und rechtzeitig gegensteuern. Früher oder später wird es immer wieder zu unvorstellbaren Grausamkeiten kommen, aber wir können wenigstens einiges verhindern - vielleicht. Der Holocaust wird sich so nicht wiederholen. Die Juden waren zwar während ihrer gesamten Geschichte ein Haßobjekt für andere Völker, aber sie sind nicht das einzige. Ganz nebenbei entsteht solcher Haß immer aus falscher Generalisierung (kann mir irgendwer »Die Juden« zeigen?) und Projektion der eigenen Ängste auf einen Sündenbock. Außenseiter sind immer gut dafür.
|