Möglicherweise wäre ich als inselbegabt diagnostiziert worden und auf irgend einen besonderen Spezialkindergarten für inselbegabte, unmusikalische, hypsersensible, matheschwache Kinder gekommen. Möglicherweise hätte man in meiner Art, mich vor anderen Menschen panisch zu ängstigen und lieber allein statt mit anderen Kindern zu spielen einen milden Autismus festgestellt und mich dann in eine Spezialschule für mild-autistische, lesestarke, sozialphobische, affektiv-gehemmte Kinder gegeben. Möglicherweise hätte man in meiner Abneigung gegen Essen jeder Art, meinem eher zögerlichem Körperwachstum, meinen Kopfschmerzen und dem Herzrasen ein psychosomatisches oder somatopsychisches Leiden erkannt und mich in eine Einrichtung für psychosomatisch oder somatopsychisch beeinträchtigte Menschen gegeben.
Glücklicherweise war damals noch niemand darauf erpicht, Diagnosen zu stellen. Sonst säße ich jetzt womöglich nach der zweiundreißigsten mißglückten Therapie in irgend einer Reha-Klinik und hätte nicht einmal ein Leben, an das ich mich erinnern könnte.
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