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AmenokalBerlin(030)40504516 schrieb am 13.7. 2009 um 05:00:40 Uhr über

Hinterhaus

Mein Dealer wohnt, hier in Berlin, am Prenzlauer Berg, d.h. im Künstlerviertel, in einem Hinterhaus. 1999 zog er, mit seinem Freund, aus Leipzig nach Berlin, in ein Hinterhaus, in der Strasse visvavis.

Das Vorderhaus, das Nebengebäude und das Hinterhaus wurden, kurz nach der Wende, als sich ungefähr acht Jahre lang, fast gesetzlos, die Kinder des wilden Ostens austoben konnten, von Autonomen, Punkern, und nur nicht am Outfit, aber am Habitus, gut vergleichbaren, zuvor innerlich und äusserlich auf der Flucht aus Familien und Elternhäusern, FDP-Wähler würden sagen, »verwahrlosten« jungen Samurais aus beiden Geschlechtern, besetzt.

Idioten, und ich meine dies Wort nie beleidigend, sondern nur so, wie es z.B. in Knaurs Herkunftswörterbuch erklärt wird, verstehen nicht, warum damals, wie früher anderswo, junge Punks, Schwule und Autonome
dabei herausragende Rollen spielen konnten.

Wer einmal hautnah miterlebte, wie Vater und Sohn, nur wegen des Outfits des Sohnes, einander anschrieen, oder, dass ein Vater, der, aus welchen Quellen weiss ich nicht, aber definitv richtig, erfuhr, dass sein damals 17jähriger Sohn schwul ist, kurz vor Mitternacht besoffen nach Hause kam, die halbe Wohn-Zimmer-Einrichtung zertrümmerte, den schon schlafenden Sohn aus seinem Bett zerrte und (der Vater war körperlich stärker) verprügelte; weshalb dann die Mutter, in hellster Aufregung den Notarzt aber nicht die Poliei alarmierte, denn der Täter war ja ihr eigener Mann, wer so was hautnah oder fast hautnah, als Last, mit auf seinem weiteren Weg bekam, der kann sich über das Nichtverstehen der Zusammensetzung der Elite der Hausbesetzer, d.h. herausragend junger Punks, Autonome, und/oder Schwule, z.B. aus Bayern und Baden-Württemberg, nur wundern.

Eine realistische, den noch herrschenden Zeitgeist berücksüchtigende, und das zukünftig
Mögliche erfassende Informationsverarbeitung ist heute, und gewiss auch noch morgen und übermorgen, nicht das Vorrecht der Mehrheit, die sich mehr oder weniger selbstzufrieden, die »Normalen« nennen.

Was sind »Normale«?

Es ist der Plebs.

Das einfache Volk.

Ein Wort, das, aufgrund der heute noch allgemein herrschenden Bildungslosigkeit, allzu leicht und allzu schnell als Beleidigung erfasst wird.

Nach allen Wörterbüchern, die ich besitze, im Moment zitiere ich aus dem Herkunftswörterbuch des »Bertelsmanns Lexikon Verlags«, weil ich dies Buch, rein zufällig, am schnellsten in die Hände bekam, heisst das Wort »plebs«, ins Deutsche übersetzt, »Volk«.

Die jungen Samurais, Punks, Autonome, Schwule, die ein, zumindest zeitweise, offen erkennbar herrenloses Haus besetzten, wurden blind zusammen gewürfelt, und waren dennoch, der, am Anfang der 90er Jahre, edelste weil aktivste Teil des Volkes.

Ich weiss, der soeben geschriebene Absatz ist porovokant, aber, ich provoziere gern. Das Provozieren ist, geradezu, meine Religion, mein Glaube.

Anders gesagt: Mein Glaube ist das setzen auf den mehr oder weniger möglichen Erfolg einer hoffnungslosen Mission.

Würde ich nicht provozieren, könnte ich mich nur noch aus dem Fenster stürzen.

Darüber könnten meine Gegner gewiss lustig lachen. Und gewiss hüllten sie diese Lacherei in ein bedauerndes Kopfschütteln, und
in den Spruch: »Wir haben es doch schon immer gewußt: Der alte, früher junge Narr, war verrückt. Jetzt haben wir, dafür den endgültigen und unwiderlegbaren Beweis

Ich lasse das jetzt mal so stehen wie es, oben steht. Denn ich bin schon wieder müde. Und der Zustand meiner Ein-Zimmer-Wohnung interessiert mich, wachsend, mehr als sinn- und inhaltsleer gewordene Streitereien im Internet.

Vielleicht verdanke ich sogar diesem »FDPunk«,
der heute morgen, hier, im *assoziations-blaster.de*, all meine Tagespläne durcheinander brachte, dass ich müde und lustlos wurde, und solchen Absurditäten, wie FDP plus Punk, ab sofort nur noch mit einatmen, ausatmen und mit ignorieren begegne.

Ich rase, jetzt nur noch mit einer kurzen Blende, an den Anfang meines Threads. Da schrieb ich: Mein Dealer wohnt, hier in Berlin, am Prenzlauer Berg, d.h. im Künstlerviertel, in einem Hinterhaus.

Was ich an diesem Mann bewundere, ist das Folgende:

Wenn er seine, scheinbar, überlebensnotwendigen Medikamente, d.h. Drogen, spezifischer gesagt:
Tabak und Kaffee, nicht mehr hat, weil bei ihm zu viel Geld rausging und zu wenig reinkam, dann überlegt er nicht, welchen Gläubiger und/oder Schuldner er am nächsten oder übernächsten Tag traktieren kann; er macht stattdessen einfach mal eine Atempause, trinkt Wasser, ißt Brot, und wartet auf den nächsten Payday, an dem sein Geld wieder fließt. Die Muslime nennen das Ramadan.

Noblesse Oblige


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