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Freno schrieb am 19.12. 2020 um 23:42:03 Uhr über

Himmelfahrtskommando

Mein Professor, an dessen Lehrstuhl ich 4 der schönsten Jahre meines Lebens verbracht hatte, war ein konstruktiver Alkoholiker gewesen und man sagte ihm nach, daß er seine Assistenten strikt nach ihrer Fähigkeit zur Alkoholaufnahme aussuchte. Aber wir boten 28 - in Worten: fast dreissig - Semesterwochenstunden an ! Das normale Deputat sind 8 Semesterwochenstunden, dh wir arbeiteten in der Lehre soviel, wie 3,5 normale Lehrstühle, die keine Alkoholiker waren und deswegen konnte uns keiner was. »Wenn ich sag, ich mach jetzt nur noch Dienst nach Vorschrift, dann brechen sofort ein halbes Dutzend Studiengänge zusammmen.« sagte unser Professor, der auch mal Uni-Präsident und 10 Jahre lang Vizepräsident gewesen war. Und auch bei den Studenten waren wir dementsprechend beliebt gewesen.

Im Semester war 3x die Woche Mittagspause beim Chef im Büro. Mampf mußte man selbst mitbringen, der Alk wurde vom Chef bezahlt - meist Edelzwicker aus dem Edeka-Lädchen, das praktischerweise im Nachbargebäude lag. Es war dann schon so eine Sache, in diesem Lädchen mit dem Geldbeutel vom Chef 6 Flaschen Wein für die Mittagspause zu kaufen (die auch nur selten ausreichten). Und dazu gabs noch die Geburtstagsfeten - da mussten die Geburtstagskinder den Alk und den Mampf bezahlen. Und die Feten zu Semesterbeginn und Semesterschluß, nach den Klausuren (wir hatten Klausuren mit regelmässig über 1000 Teilnehmern!) und die Buroparties just 4 fun, wenn wir mal wieder gut drauf waren und das waren wir recht oft ... nüchtern war ich in dieser Zeit fast nur am Wochenende und in der vorlesungsfreien Zeit. Dh in der Zeit waren auch die Diplomprüfungen und auch die waren für uns als Prüfer nur besoffen zu ertragen gewesen.

Aber das Himmelfahrtskommando des Lehrstuhls war mir als spezieller Aufgabe zugedacht: ich hatte die leeren Wein-, Sekt- und Schnapsflaschen (Bier tranken wir im Dienst nie, nur beim Chef zuhause, wo wir Assistenten häufig eingeladen waren und dort auch übernachteten, er hatte zu diesem Zweck rund 1/2 Dutzend Gästezimmer) aus dem Wandschrank im Büro vom Chef zum Altglascontainer zu bringen, der am Weg vom Campus zur Mensa lag und die ganze Uni vorbeikam, wenn ich aus dem Kofferraum meines Golfs alle 2 Wochen hundert, zweihundert, dreihundert Wein- und Sektflaschen in die Container praktizierte. Das wäre gut für meine Charakterbildung, meinte mein Professor. Und er hatte durchaus Recht ! (War ja auch kein Wunder, er war schließlich Jura-Professor.)

Um 2010 herum ist mein guter alter Professor mit ein paar 80 Jahren dann verstorben gewesen, ich hatte es mal ergooglet. Leute ohne Alkoholproblem werden normalerweise nicht so alt.


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