München - Noch liegt Schnee in München. Aber schon bald werden wieder Blütenpollen durch die Luft wirbeln und bei Allergikern heftige Niesattacken auslösen. Offenbar ist auch die Luftverschmutzung für diese alljährliche Qual verantwortlich: Der Zusammenhang findet sich vor allem in der Statistik, jetzt können Forscher der Technischen Universität in München eine molekulare Erklärung dafür geben, daß sich Allergien besonders unter Stadtbewohnern ausbreiten.
In Deutschland leidet fast jeder Fünfte an Heuschnupfen und reagiert mit triefender Nase, rotverquollenen Augen, Hautquaddeln oder Asthma auf an sich harmlose Pollenproteine. Reaktionen des körpereigenen Abwehrsystems, die über das Ziel weit hinaus schießen. Und die Zahl der Betroffenen steigt weiter - vielleicht weil es eine Zivilisationskrankheit ist, sich der Körper in einer hygienisch-sauberen Umgebung neue Angriffsziele für sein Immunsystem sucht. Oder ihm die Umweltverschmutzung stark zusetzt. »Oder eine Kombination aus verschiedenen Faktoren«, sagt Ulrich Pöschl, »wir wissen nicht, warum Menschen zunehmend allergisch reagieren.« Doch der Atmosphärenforscher konnte mit seinen Kollegen an der TU München mit unterschiedlichen Versuchen nun belegen, daß Autoabgase einen großen Einfluß besitzen, wie sie in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals »Environmental Science and Technology« berichten. »Stickstoffdioxid bildet mit Ozon das hochreaktive NO3. Dieses Zwischenprodukt sorgt in der Luft für eine Nitrierung der Pollenproteine«, erklärt Pöschl. »Bei Sommersmog, wenn beide Stoffe in hohen Konzentrationen vorkommen, geht das besonders schnell.« Nitratgruppen werden dabei an die Aminosäure Tyrosin gehängt, wie die Untersuchung des allergenen Birkenpollenproteins BetV1 zeigte, das sieben Tyrosinreste besitzt. Diese Molekülveränderungen beeinflussen wiederum die Wechselwirkungen mit Bestandteilen des Immunsystems, die Bindung zwischen Allergen und Antikörper wird zum Beispiel stärker. »Noch ist unklar, ob nitrierte Proteine heftigere Abwehrreaktionen bewirken oder Allergien verstärkt auslösen«, sagt Pöschl. Bereits angelaufene Studien sollen diese Fragen im Tierversuch beantworten. Auch Zellexperimente sind geplant. Und Studien von Wissenschaftlern am GSF-Forschungszentrum in Neuherberg haben erst kürzlich gezeigt, daß Pollen, die mit Luftschadstoffen belastet sind, verstärkt Botenstoffe freisetzen. Diese PALM-Moleküle locken menschliche Entzündungszellen an, selbst wenn es sich um Nicht-Allergiker handelt.
In untersuchten Proben der Münchner Luft waren durchschnittlich 0,1 Prozent der Proteine nitriert. Dieser Wert erhöhte sich jedoch bis um das Hundertfache durch die Abgase an einem Verkehrsknotenpunkt: Die Forscher um Pöschl hatten Birkenpollen im Sommer 2000 bis zu 14 Tage lang der Luft am Luise-Kiesselbach-Platz ausgesetzt. »Unsere Ergebnisse sollen neue Fragen aufwerfen, die in die richtige Richtung weisen«, so Pöschl. Etwa ob Kfz-Dieselrußfilter, die derzeit propagiert würden, negative Nebeneffekte - als Allergieauslöser - hervorrufen: Viele bewirken erhöhte Emissionen von Stickstoffdioxid.
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