109. d) Weiterer Ausbildungsgang der Herrscher. Scblußworte über die Möglichkeit dieses Staates
Wird es nun hinreichen, daß sie bei diesen Untersuchungen angestrengt und unablässig bleiben, ohne irgend etwas anderes zu
tun, sondern indem sie sich auf entsprechende Art wie früher mit dem Leibe doppelt soviel Jahre üben als damals? - Meinst du
also sechs oder vier? fragte er. - Einerlei! sprach ich, nimm fünf. Aber nach diesem werden sie wieder in jene Höhle
zurückgebracht und genötigt werden müssen, Ämter zu übernehmen im Kriegswesen und wo es sich sonst für die Jugend
schickt, damit sie auch an Erfahrung nicht hinter den andern zurückbleiben, und auch hierbei muß man sie noch prüfen, ob sie
auch aushalten werden, wenn sie so nach allen Seiten gezogen werden, oder ob sie abgleiten werden. - Wieviel Zeit aber,
fragte er, setzt du hierzu aus? - Fünfzehn Jahre, sprach ich. Haben sie aber fünfzehn erreicht, dann muß man, die sich gut
gehalten und überall vorzüglich gezeigt hatten in Geschäften und Wissenschaften, endlich zum Ziel führen und sie nötigen, das
Auge der Seele aufwärts richtend in das allen Licht Bringende hineinzuschauen, und wenn sie das Gute selbst gesehen haben,
dieses als Urbild gebrauchend, den Staat, ihre Mitbürger und sich selbst ihr übriges Leben hindurch in Ordnung zu halten, jeder
in seiner Reihe, so daß sie die meiste Zeit der Philosophie widmen, jeder aber, wenn die Reihe ihn trifft, sich mit den
öffentlichen Angelegenheiten abmühe und dem Staat zuliebe die Regierung übernehme, nicht als verrichteten sie dadurch etwas
Schönes, sondern etwas Notwendiges. Und so mögen sie denn, nachdem sie andere immer wieder ebenso erzogen und dem
Staat andere solche Hüter an ihrer Stelle zurückgelassen, die Inseln der Seligen bewohnen gehn. Denkmäler aber und Opfer
wird ihnen der Staat, wenn auch die Pythia damit einverstanden ist, öffentlich darbringen als guten Dämonen, wo nicht, doch als
seligen und göttlichen Menschen. - Vortrefflich, o Sokrates, sagte er, hast du uns die Herrscher wie ein Bildner dargestellt. -
Und auch die Herrscherinnen, sprach ich, o Glaukon. Denn glaube ja nicht, daß, was ich gesagt, ich von Männern mehr gemeint
habe als von Frauen, so viele sich von tüchtiger Natur darunter finden. - Richtig, sagte er, wenn sie ja gleichen Teil an allem
haben sollen mit den Männern, wie wir aufgeführt haben. - Wie nun? sagte ich. Gebt ihr zu, daß, was wir von diesem Staat und
seiner Verfassung gesagt haben, nicht bloß fromme Wünsche sind, sondern Schweres zwar, aber doch irgendwie möglich, nur
auf keine andere Weise als gesagt wurde, wenn wahrhafte Philosophen, die - einer oder mehrere - zur Obergewalt im Staat
gelangt sind, mit Verachtung der jetzigen Vorzüge, weil sie diese für unedel und nichts wert halten, das Richtige und die von
diesem ausgehenden Vorzüge allein hochachten, für das allergrößte und notwendigste aber das Gerechte, und diesem dienend
und es befördernd zur Einrichtung ihres Staates schreiten? - Wie aber? fragte er. - So, daß sie alle, welche über zehn Jahre alt
sind, hinausschicken auf das Land, und nur die jüngeren Kinder zu sich nehmen, um sie, entnommen den jetzt geltenden Sitten,
die auch die Eltern haben, nach ihren eigenen Gebräuchen und Gesetzen zu erziehen, welche so sind, wie wir damals ausgeführt
haben. Und so wird am schnellsten und leichtesten der Staat und die Verfassung, die wir beschrieben, eingerichtet, selbst
glücklich sein und dem Volk, unter dem er besteht, die trefflichsten Dienste leisten. - Gewiß, sagte er. Und wie es gehen
könnte, wenn es jemals gehen soll, dieses, o Sokrates, scheinst du mir vortrefflich ausgeführt zu haben. - Ist also nun nicht,
sprach ich, unsere Rede vollständig von diesem Staat und dem ihm ähnlichen und angemessenen Manne? Denn auch dieser
steht nun ganz deutlich vor uns, wie wir sagen werden, daß er sein müsse. - Ganz deutlich, sagte er; und, was du fragst, es
scheint mir beendigt zu sein.
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