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Liquidationsdefensive schrieb am 10.11. 2002 um 23:30:11 Uhr über

HerrnYamasakiSchmecktDasAbendessenNicht

Das Schicksal von Herrn Yamasaki ist sehr bedrückend. Man könnte vermuten, HerrnYamasakiSchmecktDasAbendessenNicht, weil HerYamasakisFrauSchlägtHerrnYamasaki. Bei dieser Brutalität von Herrn Yamasakis Frau wäre es ja nur verständlich, dass Herr Yamasaki keine Freude an seinem Abendessen hat. Aber es wäre viel schlimmer, wenn Ursache und Wirkung hier umgekehrt gesehen werden müssen, was folgendes bedeuten würde: HerrnYamasakiSchmecktDasAbendessenNicht und HerrYamasakiErbrichtDasAbendessen; wenn Frau Yamasaki dies sieht, kann sie nicht anders, als ihren Mann angewidert zu schlagen, aber nicht weil sie die Schmähung des von ihr möglicherweise zubereiteten Essens beleidigt und sie den Schmutz des Erbrochenen unerträglich findet, sondern weil ihr Mann so ein memmeriger Schluffen ist, der lustlos und ohne Appetit in seinem Abendessen herumstochert. Frau Yamasaki ist eine Frau, die ihr und das gemeinsame Leben mit ihrem Mann geniessen und in vollen Zügen auskosten will, da kommt ihr die Überempfindlichkeit und die Freudlosigkeit ihres Mannes gar nicht gelegen. Ja, man muss wohl fürchten, dass Herr Yamasaki geradezu depressiv und grüblerisch veranlagt ist und mit grossen Zweifeln an seinem Lebenswandel nicht in der Lage ist, sich auf den Genuss des von Frau Yamasaki bereiteten Abendessens zu konzentrieren und sich bei wunderbaren und köstlichen Speisen zu entspannen. Nicht dass Herr Yamasaki nicht generell die Freuden des guten Essens zu schätzen wüsste, vielmehr sitzt er da, prockelt mit der Gabel in seinem Teller herum und denkt sich, was das doch alles für ein Wahnsinn ist, dass er sein Leben mit dem Essen und dem Beisammensein mit seiner Frau verbringe, Abend für Abend, und tagsüber immer grenzenlose Schufterei, und dann gibt es bald vielleicht Kinder und ein Haus und die Verpflichtungen werden noch irrsinniger, und Herr Yamasaki denkt immer wieder, selbst während er so in seinem leckeren Abendessen herumbohrt, über seine beängstigende Endlichkeit nach, die Endlichkeit seiner Zeit und über seine Frau, die er eigentlich liebt, aber die ihn mit ihren Ansprüchen nach Klarheit, nach einer klaren Lebenslinie erdrückt und von der er manchmal meint, sie treibe ihn in einen langgezogenen schmerzlosen Tod, obwohl er doch nicht einfach leben darf, sondern kompliziert leben muss und wissen muss, warum, und dass es ihn ganz ängstlich macht, dass ihn seine Frau vielleicht gar nicht versteht, und er ihr dies nicht sagen kann, weil sie ihm nur mit ihrer klugen und feinen Ironie antworten würde, die seine kleine Existenzmacke dennoch akzeptiert, ja die ihr sogar wichtig ist, so wichtig, dass sie überhaupt der Anlass war, ihn zu lieben und mit ihm zu leben, aber Herr Yamasaki weiss, dass sie nicht ahnt, wie furchtbar ernst es ihm mit dieser Grüblerei ist, wie sehr hier aller Spaß aufhört und es an die Fundamente seines Wesens geht, obwohl er dieses Wesen gleichzeitig hasst und es nicht mit rechter Überzeugung will, was seinerseits ja der Anlass war, der so ganz anderen und ausgleichenden Frau Yamasaki mit ihrer Gewandheit und lebensklugen Überlegenheit zu verfallen und sich in sie heftigst und ganz und gar ohne Irrtum zu verlieben, um diesen dumpfen Zweifeln und dieser Ratlosigkeit zu entkommen. Aber nach dieser entspannten Frühzeit ihrer Beziehung, in der Herr Yamasaki über seine lebensfremden Störungen lachen konnte, kam die Erkenntnis für ihn, dass dies, was ihm so als Fehler und jugendliche Unreife erschien, die eigentliche Grundlage seiner Persönlichkeit war, die sich durch nichts, wirklich nichts, und das heisst selbst für ihn erschreckenderweise, nicht einmal durch die größte Liebe wegwischen läßt und die nun vor seinem Abendessentisch, so manchen Abend, und gerade dann, wenn Frau Yamasaki ihre Stärken, ihren Charme, ihre Wärme und ihre Unterhaltungsgabe aus reiner Lebens- und Liebeslust ins Spiel bringt, hervorbricht und ihn plötzlich stumm und nachdenklich vor seiner Frau sitzen und nur denken lässt, wann sie denn nur endlich von ihrer Lebensvollkommenheit ablassen werde, und weil sie es nicht tut, er ganz traurig wird. Und vor lauter Anstrengung wegen dieses finsteren Widerspruchs zwischen ihm und seinem Leben beginnt er zu zittern, verliert den Appetit und ihm schmeckt das Abendessen nicht mehr, aber, weil er es aus Rücksicht auf die Kochbemühungen seiner Frau doch zu sich nimmt, es bald wieder ausbricht, bis seine Frau, nachdem sie es einmal, zweimal, ja ein drittes Mal als Kränklichkeit erduldet hat, diese Jämmerlichkeit nicht mehr ertragen kann, und ihn schlägt, um ihn zur Besinnung zu bringen, und, nachdem dies nichts nützt, ihn schlägt, nun aber nur noch aus Verständnislosigkeit und zuletzt aus Verachtung.


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