Le chiavi di casa - Die Hausschlüssel
von Gianni Amelio (Italien 2004)
Film über eine späte, besondere Vater - Sohn - Begegnung, ab Herbst 2005 im deutschen Kino und irgendwann auf Arte.
http://www.kinoweb.it/nelle_sale/le_chiavi_casa/scheda.htm
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Die Hausschlüssel
Le Chiavi di Casa
Italien 2004
Regie: Gianni Amelio
Buch: Gianni Amelio, Sandro Petraglia, Stefano Rulli
Camera: Luca Bigazzi
Musik: Franco Piersanti
Darsteller: Kim Rossi Stuart, Charlotte Rampling, Andrea Rossi, Alla Faerovich, Pierfrancesco Favino
105 Minuten, Format: 1:1,85
Verleih: Pegasos
Kinostart: n.n.
Die schwierige Annährung eines Vaters an seinen behinderten Sohn schildert Gianni Amelio in seinem neuen Film. Gewiss kein neues Thema, vor allem aber eins, das leicht zu einem sentimentalen Rührstück hätte werden können. Amelio jedoch gelingt dank exzellenter, subtil spielender Darsteller ein differenzierter Film, der nicht unbedingt begeistert, aber über weite Strecken tief berührt.
Man mag sich gar nicht ausmalen, was Hollywood aus diesem Stoff gemacht hätte, mit welch perfiden Mitteln Gefühle manipuliert worden wären, wie dick aufgetragen die Emotionen wären und mit welch betont emotionaler Musik all das unterlegt wäre. Klischees dieser Art vermeidet Amelio, anrührend ist sein Film dennoch. Entscheidend zum Erfolg trägt Hauptdarsteller Kim Rossi Stuart bei, der das Wechselbad der Gefühle, durch das Gianni, seine Figur, im Laufe des Films geht, nie mit übertriebener Gestik oder Mimik darstellt, sondern ein bemerkenswertes Maß an Subtilität erreicht. Langsam erfährt man die Hintergründe, hört von den menschlich nachvollziehbaren Gründen, wegen denen Gianni kurz nach der Geburt des Sohnes Paolo (Andrea Rossi), bei der die Mutter gestorben war, die Flucht ergriff und die Verantwortung für den behinderten Sohn der Schwester der Toten überlies. Anlässlich eines Klinikaufenthalts in Berlin – wo ein Großteil des Films spielt und gedreht wurde – trifft Gianni nun zum ersten Mal auf seinen inzwischen 15jährigen Sohn, der seit seiner Geburt tetraplegisch behindert ist. Ganz subtil beobachtet Amelio die Bemühungen Giannis nichts falsch zu machen, aber gleichzeitig auch seine unterschwellige Beschämung mit einem behinderten Kind gesehen zu werden, das seine Gefühle ohne Scheu offenbart und den zurückhaltenden Gianni immer wieder überfordert.
Die größte Stärke des Films ist seine differenzierte Darstellung der Situation in die sich Gianni begibt. Vor allem in der Figur der Nicole, der von Charlotte Rampling gespielten Mutter einer Patientin im Krankenhaus, spiegelt sich die ganze Breite der Emotionen, der sich Gianni ausgesetzt sieht. Sie ist es, die Gianni langsam aus der Reserve lockt, ihn dazu bringt sich seinem Verhalten zu stellen, sich seiner Verantwortung bewusst zu werden. Sie ist es aber auch, die ihm klarmacht, dass die Entscheidung sich in vollem Ausmaß um seinen Sohn zu kümmern mit enormem Leid verbunden wäre, und zwar nicht für Paolo sondern für ihn selbst. Dass der Film nicht so tut als wäre die Entscheidung für einen schwer behinderten Menschen zu sorgen, damit sein eigenes Leben komplett umzustrukturieren und mitunter gewaltige Einschränkungen zu akzeptieren, eine Leichte ist, ist bemerkenswert. Umso tragischer erscheint vor diesem Hintergrund ein kurzer Moment des Glücks, den Gianni und Paolo bei einer gemeinsamen Reise erleben. Für einen Moment gibt sich Gianni der Illusion hin, dass er es schaffen kann für seinen Sohn zu sorgen, dass die offensichtlichen Probleme nur halb so gravierend sind, dass die Liebe für seinen Sohn, die sich im Laufe der gemeinsamen Zeit entwickelt hat, alles überstrahlt. Doch dieser Moment ist schnell vorbei und auch wenn der Film offen lässt, wie es mit Paolo und Gianni weitergeht weiß man: Einen einfachen, unproblematischen Weg wird es nicht geben.
Michael Meyns
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