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schmidt schrieb am 26.7. 2024 um 08:40:01 Uhr über

Hauptstraße

Ich muß dieser Straße die in meiner Kindheit doch eine zentrale Rolle gespielt hat nun doch eine kleine schreiberei widmen. Die Hauptstraße war die B42 und eine normale zweispurige Bundesstraße die den Ort querte und viel befahren, es gab nur einen einzigen Überweg mit Ampel und natürlich querten die eiligen Erwachsenen sie auch fern der Ampel eiligen abgemessenen Schrittes. das große Tabu meiner früher Kindheit lautete, um Gottes Willen die Hauptstraße nicht überqueren. Wir wohnten Johannisbrunnenstraße, also unterhalb der hauptstraße wo auch der Rhein ist. Über der Hauptstraße wohnten beie Tanten, die Schwestern von papa die man immer besuchen durfte wenn es nach ihnen ging, aber Mutter wollte nicht daß wir die Hauptstraße überquerten. Oma wohnte auch auf unserer Seite und die meisten geschäfte befanden sich auch auf unserer Seite. Paula, Ackerschott, die reparierten Löcher in Hosen und hatten garne, die Mangel wo man gezogene nasse gefaltete Bettlaken und Bettücher zum Bügeln im Wäschekorb hinbrachte, Münch Haushaltswaren wo ich bleipatronen für mein Luftgewehr und Schreckschußmunition in roten Ringen zu zwölf Schuß erwarb, die Apotheke wo ich für Oma die große Dose Migränin holte, Paula bei der ich Bohnen vor dem Einkauf entzweibrach als Qualitätstest, dich kann man schicken, das war eines meiner Komplimente, die Schnecke nannten wir sie, die alte Frau Scharhag die einen Dutt hatte und eine Stimme wie ein Automat, ich höre ihr immer wiederholtes wie mechanisch Klingendes „darfs sonst noch was seinund ihr Mann stand irgendwie wie, was soll er denn sonst tun, nichtstuend daneben, grüßte jeden einzelnen kunden, das war seine Hauptaufgabe, weil sie war wie ein verkaufsautomat an ihrer Kasse in die sie alles eintippte und verlor nie sonst irgendein Wort, er, fragte, wie geht es deiner Oma, ich antwortete natürlich nur, gut, dann schenkte er mir eine Banane, manchmal, das war toll, später dachte ich, es muß ein Alkoholiker gewesen sein, vor dem Drogist Jansen warnte mich Oma, der sei ein nazi, ebenso der Kohlenhändler Klee und der Getränkemann Binowetz, da solle ich mich fernhalten, so lernte ich dann besonders den Drogisten jansen besser kennen weil er mir Zugang zu seinem gut mit alten Flaschen in denen viele Chemikalien lagerten verschaffte, ich war immer gut vorbereitet wenn ich mich nach einem Stoff erkundigte so daß er spürte ich kenn mich aus, manchmal kannte ich mich sogar besser als er selbst aus was ich ihn aber nicht spüren ließ. So verkaufte er mir einmal „Kollodiumwatte“ (eine Vorstufe zur Schießbaumwolle) alsirgendeine Art von Baumwolleund ich fragte scheinheilig nach dem preis für hundert Gramm, die Flaschen enthielt einen ganz schönen Bausch watte, der aber nach Abwägung später keine dreissig Gramm wog, was ich sofort kalkuliert hatte, der erfand eine zahl, sagte hunderrt Gramm eine Mark, und ich vorsichtig, ich würde dann alles nehmen, und er wog und ich bezahlte dreissig pfennige und war stolz wie nix, und daß das zeug brannte wie die sau, davon wußte er wahrscheinlich nichts. Es ist der gleiche Jansen den ich später dazu brachte mir bei merck zweihundertfünfzig Gramm original in der Dose unter petroleum lagerndes metallisches Natrium zu bestellen, ich wollte erst nicht daran glauben aber er tat es tatsächlich, wohl auch in der Annahme es könne sich nicht um derart gefährliches handeln, ich meine Natrium, das ist ja in jedem Salzstreuer, was soll da dran auch gefählich sein. ich trug die sache wie einen Schatz nach Hause. Die Hauptstraße war lange Zeit eine Art Lebensmittelpunkt, da wo sich leben abspielte und später sah ich zu wie ein Geschäft nach dem anderen verschwand, wir wohnten dann auch auf der anderen Seite, Oma zog weg, diese Seite meines lebens verschwand immer mehr, ich hatte andere Spielkameraden, Mutter kaufte jetzt mit ihrem Döschewo im Biebricher neuen Albrecht ein, da fuhr ich mit, bei Jansen, dem Drogisten kaufte ich noch regelmäßig Unkraut-Ex, ein Chlorathaltiges Unkrautmittel welches mit Zucker vermischt gut und zischend abbrennt und welches mit dem Tapeziererpinsel auf Tagesezeitungsblätter gepinselt und getrocknet und fest zusammengerollt als raketentreibsatz dient , bis hundert Meter hoch stiegen die regelmäßig gebauten Raketen die ihren Dackel unter das Sofa flüchten ließ wie mir eine nachbarin einmal berichtete neben deren Haus auf dem freien Grundstück im neubaugebiet ich jeden tag eine rakete steigen ließ. Und ich kaufte, mein seltsamstes Ritual, echtes terpentin dessen geruch ich liebte und mit dem ich mich in irgendwelche Büsche verkroch, etwas davon auf das Innere eines Dosendeckels schüttete und abbrannte und der Flamme zuschaute. Das war wie ein kleines Weihnachten.


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