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SPIEGEL ONLINE schrieb am 4.10. 2003 um 09:44:00 Uhr über

Hackenschuhe

Wer bis 1965 geboren wurde, hatte gute Chancen, in besseren Schuhgeschäften ein »SchuhFluoroskop« in Aktion erleben zu dürfen.

Damit ließen sich direkt im Geschäft - und unter Verzicht auf Kleinigkeiten wie Strahlenschutz - Füße in Schuhen röntgen und direkt betrachten. Schuhverkäufer müssen damals im Dunkeln geleuchtet haben, so verstrahlt wurden sie: Spätestens an diesem Punkt wird klar, warum die amerikanischen Drehbuchautoren AlBundy (»Eine schrecklich nette Familie«) gerade diesen Beruf andichteten.

Doch Scherz beiseite: Füße röntgen war »in«, und kein Mensch dachte an mögliche Folgen. »Das haben die damals vor allem bei Kinderschuhen gemacht, und bei Babyschuhen immer«, erzählt meine Mutter heute. »Ihr Kleinen konntet ja nicht sagen, wo es drückt

Der Witz am Fluoroskop war ja eben, dass sich damit das Röntgen direkt darstellen ließ. Mit modernen Fluoroskopen röntgt man heute allenfalls Koffer, nicht Kinder. Bei dem bereits 1896 erfundenen Verfahren macht man sich den Effekt zunutze, dass auftreffende Röntgenstrahlung bei bestimmten Phosphorverbindungen einen Leuchteffekt verursacht. Das Bild »leuchtet nach« und ist so für eine kurze Zeit sichtbar.

Die später im Schuhhandel weltweit üblichen Modelle der fatal-genialen Maschinen wurden wahrscheinlich gegen 1924 von Clarence Karrer erfunden. Sie wurden schnell zu wahren Publikums- und Kundenmagneten, gebaut wurden sie rund um den Globus von zahlreichen Unternehmen.

Das örtliche Schuhgeschäft machten sie zum Mekka durchleuchtungswütiger Halbwüchsiger, und schnell erkannten Händler wie Hersteller das Reklame-Potenzial, das in den Apparaten steckte. Fluoroskope waren ein Freizeitspaß, den sich vorher nur Reiche hatten leisten können: Ab der Jahrhundertwende kamen mobile Röntgenapparate in Mode, mit denen man sich auf Partys selbst und gegenseitig »fotografierte«.


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