Sonia Mikich: "Angenommen, Sie sehen eine Hakenkreuzfahne und verbrennen sie. Dann ist Ihre Haltung zum Nazi-Symbol doch ziemlich eindeutig. Sie lehnen so etwas ab. Was ist, wenn Sie das Hakenkreuz durchstreichen? Dann können Sie mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Nämlich mit dem Paragrafen 86 des Strafgesetzbuches.
Es ist schon skandalös. Weil Sie zeigen wollen, dass Sie gegen Rechts sind, werden Sie kriminalisiert. Klaus Deckert und Ralph Hötte erklären, wie das geht.
Paragrafen und Protest."
Dieser Button steckt seit 3 Jahren auf dem Rucksack von Patrick Helber aus Tübingen. Der Politik- und Geschichtsstudent geht davon aus, dass das durchgestrichene Hakenkreuz auf seinem Rucksack seine Anti-Nazi-Haltung direkt deutlich macht. Stimmt das? Wie finden andere den Button?
Passantin: »Also Anti-Nazismus, wir verstehen doch schon.«
Passant: »Ich denke, das Symbol ist eindeutig, eindeutig dagegen, ja.«
Passantin: »Gegen Rechts, gegen Nazis!«
Passant: »Gegen Rechtsradikalismus, und dass man diesen Rechtsradikalismus verbieten sollte und auch noch aktiv dagegen was unternehmen sollte.«
Eine andere Auffassung zu dem Button hat das Tübinger Amtsgericht. Als Patrick vor kurzem mit seinem Rucksack auf einer Demo war, bekam er von der Polizei eine Anzeige wegen des durchgestrichenen Hakenkreuzes. Und das Amtsgericht sieht dafür einen guten Grund.
Ingo Drescher, Amtsgericht Tübingen: »Es geht aber darum, dass es so offensichtlich ist, dass eben auch derjenige, der sich nicht gezielt damit beschäftigt, nicht den Eindruck bekommt, hier bei uns würde das Hakenkreuz überall auf Rucksäcken oder als Button getragen.«
Reporter: »Also wenn jetzt jemand sieht, da ist vielleicht ein Hakenkreuz, dann guckt er doch erst recht genau hin und dann erkennt er, dass es eben nicht ein normales Hakenkreuz ist, sondern ein durchgestrichenes.«
Ingo Drescher, Amtsgericht Tübingen: »Aber es soll nach der Rechtsprechung ohne Weiteres, also ohne große Bemühungen, erkennbar sein, dass eben dieses Hakenkreuz nicht den Schutzzweck verletzt, nicht diesen Eindruck erweckt, hier bei uns würde das Hakenkreuz durch die Lande getragen.«
Patrick Helber: »Im ersten Moment habe ich das ganze für einen Scherz gehalten, weil ich einfach der Meinung war, das ist für jeden Betrachter klar ersichtlich, dass es sich hier um deutliche Aussprache gegen National-Sozialismus, Rassismus und Antisemitismus handelt und es eigentlich nicht zu missverstehen ist.«
Anfang des Monats bekam Patrick Helber sein Urteil: Ausgerechnet er muss eine Geldspende an die Gedenkstätte Buchenwald zahlen.
Patrick Helber: »Also mich hat's auch wirklich traurig gemacht, weil ich find ... also die Gerichte und auch die Staatsanwaltschaft, die senden hier die total falschen Signale.«
Das zweite Beispiel, der Nix-Gut-Versand in Winnenden. Hier hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart jede Menge Artikel beschlagnahmt: T-Shirts, Anstecker, Aufnäher, tausende Kataloge und Daten von Kunden, die hier gekauft haben. Der Verdacht: Verwendung von verfassungswidrigen Kennzeichen. Doch die Bilder auf den beschlagnahmten Produkten sind eigentlich eindeutig - eindeutig gegen Rechts. Woher soll man wissen, dass sie als strafbar angesehen werden?
Sabine Mayländer, Staatsanwaltschaft Stuttgart: »Wissen Sie, der normale Bürger, der hat schon gar nicht das Problem oder das Informationsbedürfnis, weil der nämlich gar nicht auf die Idee kommt, sich entsprechendes Abzeichen aufs Revers zu heften. Und auf der anderen Seite in den Kreisen, in denen solche Symbole verwertet oder verwendet werden vornehmlich, die können sich oder die sind auch dementsprechend informiert. Da genügt eigentlich ein Blick in die entsprechenden einschlägigen Internetseiten.«
Und genau das hat das Team hier getan. Auf einer Web-Seite finden sie eine Broschüre des Bundes-Verfassungsschutzes. Der hält solche Anti-Nazi-Symbole für unbedenklich. Die Polizei dagegen stellt genau die sicher. Was sagt die Staatsanwaltschaft zu diesem Widerspruch?
Sabine Mayländer, Staatsanwaltschaft Stuttgart: »Diese abgebildeten Seiten sind aber auch nicht Gegenstand des Ermittlungsverfahrens.«
Dennoch: Die T-Shirts mit diesem Motiv bleiben beschlagnahmt - bis heute.
Jürgen Kamm, Nix-Gut-Versand: »Für mich ist frustrierend und nicht verständlich, dass wenn man hier was aufbaut, was Gutes macht, die richtige Meinung vertritt ... dass man dafür bestraft wird.«
Das dritte Beispiel: Irmela Mensah-Schramm bei einer ihrer Haupt-Beschäftigungen. Nazi-Symbole und Hass-Schmierereien beseitigt sie konsequent. Zu vielen Orten kommt sie nur, weil sie gehört hat, dass dort rechte Sprüche und Schmierereien sind, die noch niemand weggemacht hat.
Irmela Mensah-Schramm: »Ich entferne diese Schmierereien seit jetzt fast 20 Jahren, und mit der Dokumentation habe ich ein bisschen später angefangen. Ich hab sie nur früher entfernt und fand aber dann später, dass ich das unbedingt dokumentieren muss.«
Über 8000 Fotos hat sie mittlerweile gemacht, die in Ausstellungen im ganzen Bundesgebiet zu sehen sind. Sie will damit zeigen, wie sehr sich rechte Parolen vermehren. Dafür hat sie erst vor kurzem den renommierten Erich-Kästner-Preis bekommen. Doch was sie am 3. Oktober in Potsdam erlebt hat, hätte sie vorher nie geglaubt. Sie war zur Einheitsfeier gereist und wollte mit diesem Plakat auf die Idee ihrer Ausstellung aufmerksam machen. Ihr Motto »Wer schweigt, stimmt zu« fanden viele gut. Dann kam die Polizei ...
Irmela Mensah-Schramm: »Und nachher stand ich an einem der Festplätze und hatte mich sehr nett mit einer Frau unterhalten und während wir uns unterhielten, kamen drei Polizisten auf mich zu und meinten, also das ist strafbar, was ich mache, ich würde verbotene Kennzeichen öffentlich zeigen. Und ich hab gesagt, Moment, da steht noch was drüber, ich bin ja dagegen!«
Doch das half nichts. Die Polizei beschlagnahmte das Plakat und erkannte verbotene Symbole. Das Ergebnis: Eine Strafanzeige ausgerechnet gegen die Frau, die sich seit Jahren gegen Nazis engagiert.
Reporter: »Sie fotografiert seit vielen Jahren solche Hassparolen, Hakenkreuze. Sie dokumentiert das, hat eine Ausstellung laufen und wird von der Polizei hier bei Ihnen angezeigt. Das geht doch nicht zusammen?«
Rudi Sonntag, Polizeipräsidium Potsdam: »Das geht vom Grunde her nicht zusammen. Es ist bedauerlich. Und trotz alledem muss ich sagen, die Beamten haben so gehandelt, wie es Recht und Gesetz vorschreibt. Frau Mensah-Schramm hat an diesem Tag in der Öffentlichkeit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gezeigt.«
Irmela Mensah-Schramm: »Ich bekämpfe die Nazis, ich werde von den Nazis massiv bedroht, ja, und werde dann von Polizeibeamten, von denen ich eigentlich Unterstützung erwarte, in die Ecke der Nazis gestellt.«
-------------------------------------------------Mir fehlen die Worte!
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