Der postmoderne Guttenberg
Guttenberg will sich aus der Blamage davonstehlen, die Uni Bayreuth könnte ähnliches vorhaben
Die Universität Bayreuth hat mit Guttenberg ein Problem, der seine mit Summa cum laude als außergewöhnlich gut bewertete Dissertation ganz postmodern weitgehend ohne eigene Gedanken gesampelt hat. Immerhin hat die Universität gerade die erste Professur für Störungsökologie geschaffen. Anke Jentsch wurde berufen. Auch sie hat eine Dissertation mit Summa cum laude vorzuweisen, allerdings an der Uni Bielefeld. Und die neue Professorin ist natürlich nicht für die Titel-Ökologie an der Uni zuständig, sondern sie soll die »engagierte Forschungszusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus den Geo- und den Biowissenschaften sowie aus der Afrikaforschung suchen«. Die Juristen bleiben also ungeschoren.
Nun hat der gute Verteidigungsminister also seinen Doktortitel von sich aus abgelegt, was freilich die Universität nicht beruhigen und davon entbinden kann, die Verleihung der Dissertation zu prüfen und diese womöglich - mit Rüffel an die Doktorväter - abzuerkennen. Auch wenn offensichtlich der ertappte Minister die Uni bittet, vielleicht auch anfleht, wegen »gravierender handwerklicher Fehler« seine Dissertation als ungültig zu erklären, bleibt der Tatbestand des Betrugs.
Nach dem GuttenPLag Wiki wurden inzwischen auf 272 Seiten Plagiate gefunden, also auf mehr als 72 Prozent der Seiten. Da bleibt wenig mehr an selbständiger Autorschaft übrig, die man allerdings, die Unis hängen hier hinterher, eh schon längst abgeschafft und dekonstruiert hat. Dumm nur, dass auch die Politik meint, das geistige Eigentum vor dem Raubkopieren schützen zu müssen. Da sollte Guttenberg nun einmal deutlich seine abweichende Haltung auch als juristische und politische Position deutlich machen: Ich sample, also bin ich, was heißt, Schluss mit der Bestrafung der Raubkopierer, die vielmehr kreativ und mit Summa cum laude zum Vorteil des Kultur- und Wissenschaftsstandorts Deutschlands arbeiten.
Soweit will der Minister allerdings nicht gehen. Er bedauert seine Fehler, sein Gedächtnis arbeitete kümmerlich, das Gelesene wurde irgendwie unbewusst zum selbst Gedachten - und voila, jetzt man kann man nach der Aufklärung einräumen, ich habe es zwar selbst geschrieben, aber ich war es nicht, der es geschrieben hat, es schrieb. Das ist nicht nur postmodern, das ist richtig poststrukturalistisch, wenn nicht surrealistisch. Das Ich habe an der einen oder anderen Stelle einfach den Überblick verloren, sagt der für die Verteidigungspolitik zuständige Minister, absichtlich getäuscht habe er nicht. Das ist beruhigend, zumal er für nicht wenig Menschen verantwortlich ist, die auch noch in Afghanistan im Krieg stehen. Wird er so auch die Fehler bei der Bundeswehrreform rechtfertigen? Habe irgendwie den Überblick verloren? Dürfen nun Studenten und Doktoranden sagen, tut mir Leid für den Blödsinn, ich habe den Überblick verloren, war aber nicht so gemeint?
Der Kanzler der Universität Bayreuth nimmt den Vorgang natürlich ernst und hat einen Text – ganz ohne Bezug auf Guttenberg - über die »Regeln zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten« auf die Website der Uni setzen lassen. Schon der Anfang ist rhetorisch beeindruckend:
»Wissenschaft äußert sich in Forschung und Lehre. Auch wenn sich Wissenschaft einer Definition wesensgemäß entzieht, so läßt sich mit dem Bundesverfassungsgericht doch wissenschaftliche Tätigkeit als alles das beschreiben, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planungsmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist.«
Danach wird das »Gebot der Wahrhaftigkeit« bestärkt, das man den Studenten schon von Anfang an vermitteln müsse. Wissenschaftliches Fehlverhalten liege vor, Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, »wenn in einem wissenschaftserheblichen Zusammenhang • bewußt oder grob fahrlässig Falschangaben gemacht werden, • geistiges Eigentum anderer verletzt oder • die Forschungstätigkeit Dritter in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird.«
Dabei müssten aber die Umstände berücksichtigt werden. Das könnte bei Guttenberg dann doch auch angeführt werden. Wenn der gute Mann als Politiker und Familienvater einfach überfordert war und deswegen Gelesenes und für gut Befundenes sich angeeignet, dies aber vergessen hat, dann ist ja nichts bewusst geschehen und das geistige Eigentum verletzt worden. Bleibt nur zu hoffen, dass die Universität nicht ihren eigenen Ruf und den der deutschen Wissenschaft mit solchen Argumentationen beschädigen wird.
Florian Rötzer22.02.2011
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