In aller Frühe wurden die Männer des Reserve-Polizeibataillons 101 am 13. Juli 1942 aus ihren Betten geholt. Befehle schallten durch das Schulgebäude, das ihnen in der polnischen Kleinstadt Bitgoraj als Unterkunft diente. Die Männer stammten aus Hamburg, waren Familienväter mittleren Alters und kamen aus proletarischen oder kleinbürgerlichen Verhältnissen. Da sie als zu alt galten, um noch für die deutsche Wehrmacht von Nutzen zu sein, waren sie zur Ordnungspolizei eingezogen worden und erst knapp drei Wochen zuvor in Polen eingetroffen.
Es war noch dunkel, als die Männer auf die Mannschaftslastwagen kletterten. An alle war zusätzliche Munition ausgegeben worden, und sie hatten Munitionskisten auf die LKWs geladen. Die Wagen rollten nach Osten, bis sie ihr kaum 30 Kilometer entferntes Ziel erreichten: die Ortschaft Józefów. 1800 der Einwohner waren Juden.
Die Männer kletterten von ihren LKWs und sammelten sich im Halbkreis um Major Wilhelm Trapp, einen dreiundfünfzigjährigen Berufspolzisten. Trapp war bleich und nervös. Das Bataillon stehe vor einer furchtbar unangenehmen Aufgabe, erklärte er. Ihm gefalle der Auftrag ganz und gar nicht, aber der Befehl dazu komme von ganz oben.
Das Bataillon habe die Aufgabe, die Juden zusammenzutreiben. Die Männer im arbeitsfähigen Alter sollen von den anderen abgesondert und in ein Arbeitslager gebracht werden. Frauen, Kinder und ältere Männer seien zu erschießen. Dann machte Major Trapp ein ungewöhnliches Angebot: Wer sich der Aufgabe nicht gewachsen fühle, könne beiseite treten.
Nur ein Dutzend der knapp 500 Männer reagierte auf das Angebot. Mehr als neunzig Prozent töteten. Die meisten schafften es nicht aus dem Glied zu treten. Zu schießen fiel ihnen leichter. ... Die meisten Verweigerer versuchten die mit ihrer Haltung verbundene Kritik an den Kameraden zu verschleiern oder herunterzuspielen, indem sie behaupteten, zum Töten »zu schwach« zu sein. ... Nur sehr wenige Ausnahmecharaktere hielten stand, wenn sie von ihren Kameraden als »Schwächlinge« verspottet wurden, und konnten damit leben, daß die anderen meinten, sie seien »keine richtigen Männer«.
Christopher R. Browning: »Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die 'Endlösung' in Polen«; Rowohlt Verlag, 1. Auflage 1993
Posieren mit Totenschädeln sind nun ein paar »Einzelfälle« zu viel. Die Bundeswehrsoldaten als Totenschänder in Afghanistan sind keine kleine Gruppe mehr. Man vermutet, dass es »hunderte« solcher widerwärtigen und obszönen Bilder gibt. Neben »Abscheu und Empörung« - in der Politik gern benutzte Begriffe - wird jetzt eine Überprüfung der Ausbildungsrichtlinien gefordert. Einer, der dabei war, aber anonym bleiben will, sprach vom »Gruppenzwang«.
»Neues Deutschland«, 28. Oktober 2006
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