Kultur, der traditionelle Abgrenzungsbegriff von Natur, enthält noch die Wurzel eines Wortes, mit dem das Fällen von Bäumen zum Zwecke des Landbaus bezeichnet wurde. Der Zugriff des Menschen ist es demnach, was Natur in Nicht-Natur wandelt. Jeder Naturbegriff der sich so herleitet, ist daher sui generis paradox, denn die begriffliche Reflexion ist selbst schon kultureller Akt. Wer sich also einen Begriff von Natur macht, hat sich schon von ihr entfremdet. Eine Ökologiebewegung, die diesen Zusammenhang leugnet, läuft Gefahr, dem Vorschub zu leisten, was zu kritisieren sie angetreten ist. Mir scheint, daß wir es bei der Ökobewegung vielfach mit einem sehr oberflächlichen Naturverständnis zu tun haben, was eher von romantischen als von ökologischen Ideen getragen wird. Das Ideal von einer „intakten“ oder gar „harmonischen“ Natur deutet auf eine nach außen projiezierte Sehnsucht nach Konfliktlosigkeit hin. Es ist die Sehnsucht nach etwas zutiefst Unnatürlichem.
Biotope sind nicht, sie finden statt. Der Versuch Ökosysteme weniger als statisch Seiendes, denn als Prozesse zu betrachten, könnte zu einer Erhellung des Mensch-Natur-Dilemmas beitragen.
Organismen werden in der Biologie als Systeme betrachtet, die sich mit ihrer Umgebung im Fließgleichgewicht des stofflich-physikalischen Austausches befinden. Ein Fließgleichgewicht ist kein Gleichgewicht. Vielmehr strebt es im ständigen Fluß den Zustand des Gleichgewichtes nur an. Es gleicht einer n-achsigen pendelnden Waage, die nie zur Ruhe kommt, weil ständig etwas hineingelegt und wieder weggenommen wird. Diese Störungen sind überlebenswichtiger Bestandteil des Prozesses! Gerade in seiner temporären Instabilität liegt der Grund für die langfristige Stabilität des Systems.
Ein statisches Gleichgewicht aber, auch wenn das System ständig danach strebt, käme nur zum Preis seines Unterganges zustande:
Entweder müßte das System sich gänzlich in der Umwelt auflösen, oder es müßte seine Wechselwirkung mit der Umwelt einstellen und zur Monade erstarren.
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