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Ole, am 16.1. 2002 um 11:24:23 Uhr
Grabräuber

Die Vermutung verdichtet sich zunehmend; es scheint als hätten sie
momentan Höchstkonjunktur: musikalische Grabräuber. Mehr denn je.
Gewandet in selbstgewobene aschfahle Mäntel aus mausgrauer
Ideenlosigkeit schleichen sie federnden Schrittes durch die Stille auf
dem Friedhof altgedienter Ohrwürmer. Spatenstich für Spatenstich werden
diese dann gewissenlos exhumiert, um als untote musikalische Zombies
wieder zurück in die Gehörgänge der konsumgeilen Welt zu kriechen. Damit
das Produkt nicht mehr so leichenzerfleddert müffelt, wird es ordentlich
eingeseift und parfümiert.
Im Laufe der Jahre hier und da um das Skelett weggemoderte musikalische
Substanz wird flüchtig zugespachtelt mit antiästhetischen
Rhythmuskonglomeraten aus dem heimischen PC. Dieses recyclete
Klanggewand wird dann mit dem Stempelmodern“ „hipodertrendy
versehen. Die Musikindustrie scheint sich inzwischen mit dem grünen
Punkt ein Boot zu teilen.
Verkaufsträchtig wird es vor allem durch optische Anreize: Astralkörper,
die dazu erkoren sind, mit ihrem betörenden Aussehen dem musikalischen
Verstand nach speziell erarbeiteter Choreographie das Licht
auszuhauchen.
Leicht paradoxerweise lässt sich die Mehrheit konsumlegitimierter
Mitbürger am liebsten von Melodien und Arrangements überraschen, die sie
schon kennt. Die Masse kauft und bejubelt sich selbstihr Gedächtnis.
Das phänomenale Gefühl einenneuenSong von Anfang an mitsingen zu
können. Das gibt es nicht erst seit neuestem, aber 7 Coverversionen in
den Top-Ten der Charts sprechen eine deutliche Sprache.
Zu atomisierende Kätzchen schnurren ihre Wespentaille wiegend um die
ewige Flamme“; die No Angels möchten wenigstens mal mit einem Engel
gesprochen haben und auch die Tophits von Phil Collins sind nicht vor
Angriffen durch Gefrierbrand(y) gefeit. Den Pansen musikalischen
Wiederkäuertums am Ärgsten strapaziert im Moment wohl die „Hausband“ von
Götterbote Hermes. Hoffen wir, dass er diese auf schnellstem Wege über
Country Roads“ in den Hades jagt. Das fade Erfolgsrezept greift aber
merkwürdigerweise. Eigentlich ist es müßig, weitere unzählige Beispiele
aufzuzählen, wie den unsäglichen Roger Sanchez, der Totos ehemals
orchestral-pompösem SchmachtfetzenI wont hold you backauf die erste
Gesangszeile verkürzt, diese mit „chereskem“ Vocalizereffekten verziert
und das ganze oeuvre zu einem unglaublich fad-zähklebrigen Einheitsbrei
verwurstet. Geschmackliche Pfui-Kelle raus.
Wer weiß, was noch auf uns zukommt? Christina Aguilera covert „Black
Hole Sun“? O-Town vergreifen sich an „Stairway to heaven“? Marusha
tekknotisiert “Wonderwall”? Scooter losen ihre Religion und Lil Bow Wow
vergewaltigtAll Apologies”? Dann nützten alle Entschuldigungen nichts
mehr. Houston, wir haben ein Problem!


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