Manchmal schleich ich mich nachts raus, vor allem, wenn das Wasser in splissigen Fäden von der Decke fällt. Dann schleich ich mich raus mit ner Schaufel, mit ner Spitzhacke, ich kann sowieso nicht schlafen, ohne zu wissen, wo die sind, oder überhaupt.
Dann schleich ich mich raus auf ein Stück Erde; ein Stück Garten, meinetwegen, Wiese oder Wald, hier draußen gibt es sowieso nichts mehr, woran nicht irgendjemand unlängst Besitzansprüche gestellt hat.
Wo ich herkomme, das sollte ich vielleicht erklärten, da gibt es eine gewisse Tradition.
Und dann steh ich da, zwischen den Fäden, das raue Holz und sämtliche Splitter in der Hand, und guck ein bisschen dramatisch umher, bis ich mir sicher bin, dass noch keiner hinsieht. Mein Luftholen hat etwas von Rasseln, und mir kleben die Haare in der Stirn, als ich aushole und mit einem Hieb die Erde unter mir malträtiere. Die ersten paar Male sind eigentlich immer recht dramatisch, cinematisch-bombastisch, für den Fall, dass ich meine Beobachter noch nicht genug gelangweilt hatte. Aber meistens verliere ich mich; meistens sehr, sehr schnell, bis irgendwann der nasse Schlick umherfliegt und an meiner Haut klebt und an meinem Gesicht, und ich ein bisschen vor mich hinbrülle und weine und emotional werde, so wie meistens halt.
Wenn du erst mal tot bist, dann steht deine Familie um dich rum, in meiner Familie; steht um dich rum und guckt vorwurfsvoll, und dann geht einer nach vorne und spuckt dir ins tote Gesicht. Und dann geht der nächste nach vorne, lüpft vielleicht ein bisschen sein Taschentuch oder seinen Hemdsärmel, und spuckt mit.
Meistens schaffe ich es nicht besonders tief. Von dem vielen Brüllen fehlt mir oft die Luft, um ausdauernd zu graben; andererseits hab ich inzwischen genug Übung, um zumindest ein flaches auszuheben. Und zwischen den Kliffen und Schluchten, die der prasselnde Regen in die Ränder schlug, kletter ich dann runter, oder spring, oder lass mich dramatisch fallen, dass es spritzt; ohne eine Schlammlawine auszulösen.
Meistens leg ich mich auf den Rücken, und kreuz die Arme, mit geschlossenen Augen; aber lange halt ich das nicht durch, das erinnert mich zu sehr an Waterboarding, mit dem ganzen Regen und Tod in der Luft und dem Gedanken an meinem Bruder im Kopf. Irgendwann wälz ich mich doch noch auf die Seite, wie ein fetter Römer beim Speisen, und denk über Kadaver nach und meinen Lieblings-Simpson, und darüber, dass ich echt Zahnweh hab. Bis es mich irgendwann fröstelt, und meine Emotionalität meinem neurotischen Abwehrverhalten weicht, so dass der klebrige Schlamm mir sämtliche Nackenhaare aufstellt.
Meistens schütte ich das Loch dann einfach wieder zu, mit dem Kinn zur Brust, um spannenden Hausfrauen ein bisschen Spannung zu versprechen, und dann nehm ich meine Hacke und geh ins Bett.
Am nächsten Morgen ist dann alles verschlammt, und ich muss die Bettwäsche wechseln.
Soll keiner von ihnen wissen, wo ich liege.
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