Ich hasse ja Grünkohl. Das geht auf eine Mittagsmahlfolter während einer Kinderfreizeit zurück. Es gab Grünkohl und da mir der nicht schmeckte, nahm die Geschwindigkeit meiner Nahrungsaufnahme immer mehr ab, bis sie bei Null anlangte, noch lange bevor der Teller leer war. Dann lehnte ich mich zurück. Als die barmherzige Schwester dieser katholischen Freizeitorganisation das sah, griff sie höchst effizient und bar jedes Funkens Barmherzigkeit zur sozialpsychologischen Keule, indem sie in der versammelten und schon ganz unruhigen Kindergruppe verkündete, dass niemand aufstehen werde, bevor ich nicht den Teller geleert hätte. Dem Druck, den die erwartungsvollen Blicke, unter denen ich als feindseliger Verhinderer des Mittagsendes und der Erlösung von der Langeweile dastand, auf mich nun aufbauten, war ich nicht gewachsen und so begann das große Würgen, also so ein richtiges Würgen als Gewalt gegen die widerwillige Motorik des Schluckens, bei dem man jedes Löffelchen dieses grünen Breies förmlich durch die Speiseröhre sich quälen fühlt, bis er den Magen erreicht, der das ganze am liebsten sofort rückwärts wieder von sich geben möchte und den man nur durch künstliche Schluckreflexe daran hindern kann. Die blöde Kuh war natürlich für den Rest der Ferien für mich der Inbegriff des Bösen und dieser Speisesaal ein Ort der Vollstreckung, war doch fürderhin zu befürchten, dass dieser grauenvolle Mittag nicht der einzige bleiben und er sich wiederholen würde, wenn ich an einem der noch kommenden Tage, vielleicht sogar sehr hungrig, den Raum betreten, mich einem Platz auf den Holzbänken nähern würde und ihn plötzlich vor mir erblicken müsste: einen Teller Grünkohl.
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