Seht nur auf diese zwei verliebten Greise!
Er zittert schon, und sie kann kaum noch gehn.
Doch wär es möglich, würden sie die lange Reise
gemeinsam über weitere fünfzig Jahre gehn.
Seht, wie ihr Arm so stolz den seinen klammert!
Ein dürrer Mistelzweig an einem morschen Ast.
Verfallner Mund, der lang schon nicht mehr jammert,
findet noch brüch'gen Gruß für jeden Gast.
Obwohl es fraglich ist, ob sie noch alle kennen:
ist dies ein Enkelkind, ist's dessen Kind sogar?
Doch wenn sie Stätten ihrer Hochzeitsreise nennen,
wird plötzlich der Verstand für kurze Weile klar.
St. Pölten '52, erste große Reise
denn für Venedig hat es damals nicht gereicht:
verklärt für einen Augenblick das Antlitz beider Greise
und beim Erzählen wird die Zunge wieder leicht.
Mit 40 Mark, »wie alle« hat man angefangen -
und Adenauer, ja das war ein braver Mann
als Schuricke und die Lys Assia sangen
trug er ihr in der Milchbar seine Liebe an.
Und alle Gäste hören zu: die alten Mären
man hat sie oft, vielleicht schon hundertmal gehört.
Doch wer will sich an diesem Tag beschweren?
Herzloser Schuft, wer diesen Vortrag stört.
Und alle Gäste hören zu, und alle denken
dasselbe, wenn sie die wie neu Verliebten sehn:
möge ein gnädiges Geschick es doch so lenken,
daß auch zur letzten Reise sie gemeinsam gehn.
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