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tootsie schrieb am 28.12. 2009 um 23:59:46 Uhr über

Gespenst

Jetzt lese ich dieses Stichwort und mir fällt etwas Seltsames ein, das ich letztes Jahr im Sommer erlebt habe. Sicher, es kann eine Halluzination gewesen sein oder eine optische Täuschung, und vieles spricht auch dafür, sehr vieles sogar... aber im Nachhinein denke ich, dass ich tatsächlich ein Gespenst gesehen habe.

Nach den Prüfungen war ich mit meiner besten Freundin unterwegs in der Natur. Ich wollte nach all dem Stress einen ordentlichen Schwips haben, und das ist mir auch gelungen. Ausgerüstet mit zwei Flaschen Wein und etwas Gras sind wir aufgebrochen und haben uns an einem kleinen Weiher nicht weit vom Waldrand niedergelassen. Den Tümpel nennen wir den Brotteich, weil der Bauer, dem der Teich gehört, immer Brotlaibe für seine Fische hinein wirft - außerdem klingt »Brotteich« wie »Brotteig«, und das fanden wir lustig.

Stundenlang haben wir dort gesessen und geredet, gelacht und getrunken und auch ein bisschen gekifft. Jugendsünden...

Unser Zustand war bedenklich, und wir hatten gewisse Schwierigkeiten, den Weg zurück zu finden. Jeder von uns hatte etwa eine Flasche Wein intus, aber es ist mir schließlich doch gelungen, meine Freundin am Auto ihrer Mutter abzuliefern. Ich habe mich ziemlich geschämt: Total steif der Mutter meiner besten Freundin unter die Augen kommen zu müssen war mir mehr als nur unangenehm, und ich fühlte mich entsprechend erleichtert, als das Auto davon fuhr.

Ich selbst hatte keine Lust, schon nach hause zu eiern und wollte gerne noch etwas ausnüchtern - frische Luft wirkt bekanntlich Wunder, also bin ich ein Stück die Dorfstraße hinuntergegangen und habe mich dann nach links in die Wiesen geschlagen. Dort saß ich dann im tiefen Schatten, habe dem Nebel zugesehen und mich noch eine Runde geschämt.

Ich wollte ursprünglich hinter dem Grundstück meiner Oma Stellung beziehen, aber nur mit Maschendraht im Rücken fühlte ich mich nicht unsichtbar genug. Der blickdichte Bretterzaun der Nachbarin war mir viel, viel lieber, und so blieb ich dort auf der Böschung hocken.

Ich habe dann darüber nachgedacht, ob ich noch ein bisschen Gras rauchen sollte oder nicht, aber es war zu dunkel, um eine Mischung zu machen, und ich hatte ein wenig Angst, jemand könnte das Blubbern hören oder die Flamme vom Feuerzeug sehen. Wer hat schon Lust, sich der Verwandtschaft zu erklären, wenn er recht besoffen ist und gekifft hat? Ich bestimmt nicht.

Im Maschendrahtzaun meiner Oma gibt es nämlich eine kleine Pforte. Und diese kleine Pforte ist schuld daran, dass ich nicht an ein Gespenst gedacht habe, sondern an meinen Cousin, der vielleicht im Garten zeltete.

Ich saß also da, und dann sah ich einen weißen Schimmer, der aus dem Schatten der Bäume kam und ziemlich schnell über die Wiese wanderte, um dann plötzlich zu verschwinden. Diese Erscheinung war völlig lautlos, und für einen Menschen, der in ein Bettlaken gehüllt durch hohes Gras rennt, war sie auch viel zu flink. Ich dachte zuerst an den Cousin und habe mich ganz still verhalten. Bloß niemandem begegnen!

Nach einer halben Stunde bin ich aufgestanden und habe mich - inzwischen einigermaßen nüchtern - aus dem Staub gemacht.

Die ganze Begebenheit ist mir erst vor ein paar Tagen wieder eingefallen, und dabei stellte ich mir Fragen: warum soll sich mein Cousin in ein Laken hüllen und über eine Wiese rennen? Beim Zelten hat man höchstens einen Schlafsack, und wenn man schon über Wiesen rennt, dann ist ein Laken doch eher hinderlich? Und wenn ich selbst schon Schwierigkeiten hatte, mich langsam durch das hohe Gras zu kämpfen, warum kam er dann trotz Laken so rasch voran? Und das völlig lautlos? Auch für einen Nebelschleier war die Gestalt zu schnell und zu massiv. Ich glaube auch nicht, dass es das Licht eines Autoscheinwerfers war. Ich hatte nämlich schon ein paar Scheinwerfer über die Büsche huschen sehen und mich in meiner Lichtscheu darüber geärgert.

Ich war also betrunken, bekifft und habe etwas Seltsames gesehen, das alles Mögliche gewesen sein kann - unter anderem ein echtes Gespenst.


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