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Deda schrieb am 25.9. 2001 um 19:46:07 Uhr über

Geschichten

Sommer, Sonne, Sorgenzeit


Ina, komm runter und hilf mir mal in der Küche,“ ruft ihre Mutter. „Sag nicht immer Ina zu mir. Du weißt, dass ich das nicht leiden kann,“ meckert sie zurück und murmelt vor sich hin: „In meinem nächsten Leben werde ich ein Maulwurf, dann habe ich wenigstens meine Ruhe. Die richtige Hautfarbe habe ich ja schon- leider!“ „Was murmelst du da vor dich hin Schatz?“, interessiert sich ihre Mutter für ihr Gemurmel. „Nichts, ich komme gleich.“ Amina legte ihr Buch weg und stand von der Couch auf. Langsam schlurfte sie aus ihrem Zimmer die Treppe hinunter und in Richtung Küche. Als sie hereinkam, blickte ihr Mutter kurz auf, bevor sie sich wieder dem dreckigen Topf zuwand. „Warum schaust du denn so besorgt? Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte sie ihre Tochter, doch diese schüttelte den Kopf. „Alles okay, Ma.“ Amina nahm sich ein Geschirrtuch und machte sich daran ein Glas abzutrocknen, als ihre Mutter sie fragte: „Hast du nicht Lust mit Fee ins Schwimmbad zu gehen?“ „Erstens heißt sie Felicia“, meinte Aminaund zweitens habe ich dir schon tausend mal gesagt, dass ich Schwimmbäder hasse.“ Ihre Mutter runzelte die Stirn. „Amina, raus mit der Sprache, was ist los? Seit dem du vor zwei Wochen in Schwimmbad warst, bist du gegen dieses Wort hyperallergisch und hast einen Blick auf dem Gesicht, als wäre deine ganze Klasse gestorben.“ Amina knallte das Glas auf den Tisch und funkelte ihre Mutter böse an: „Darf man hier nicht einmal schlecht gelaunt sein ohne gleich alles erzählen zu müssen?“, fauchte sie, drehte sich weinend um und rannte nach oben in ihr Zimmer. Frau Nnuroka starrte ihr nach. Was war nur in sie gefahren? Frau Nnuroka stellte den Topf ab und folgte ihrer Tochter. Sie klopfte erst und öffnete dann langsam die Tür. Amina lag auf dem Bett und hatte ihren Kopf in ein paar Kissen vergraben. „Was ist denn los meine Kleine?“ „Ich bin nicht klein, das weißt du ganz genau“, fauchte Amina. „Ist ja schon gut“, meinte ihre Mutter gelassen, und mit beruhigender Stimme fuhr sie fort: „Sagst du mir nun endlich, was mit dir los ist?“ Amina hob den Kopf und wischte sich ein paar Tränen weg. Ihre Mutter gab ihr ein Tempo aus dem Päckchen, das neben Aminas Bett auf dem Tisch lag. „Ich hasse das Schwimmbad, ich hasse Jungs und ich hasse meine Hautfarbe!“ Erst jetzt ahnte Nnuroka, was vorgefallen sein könnte und fragte deshalb: „Was genau haben sie denn gesagt? Und wer überhaupt?“ „Tobias und Frank aus meiner Klasse haben gesagt, dass...!“ Amina begann zu schluchzen und vergrub ihr Gesicht wieder in den Kissen. Frau Nnuroka streichelte ihr beruhigend über den Rücken, bis das Schluchzen schwächer wurde. „Sie haben gesagt, dass sie noch nie einen Mohrenkopf gesehen hätten, der einen gelben Badeanzug trägt!“ ‚Na toll’, dachte Frau Nnuroka. Amina war sowieso schon so empfindlich, jetzt mussten die Jungs sie auch noch zusätzlich ärgern. „Was haben sie denn noch gesagt?“, wollte Aminas Mutter wissen. „Sie haben mich gefragt, ob ich nicht wüsste, das Schokolade in der Sonne schmilzt. Außerdem sollte ich mir langsam mal ein Haus unter der Erde bauen- wo Maulwürfe normalerweise wohnen!“ Und wieder begann Amina zu schluchzen. „Mach dir doch nichts draus, meine... Große. Hör nicht auf sie.“ Als sie Amina wieder über den Rücken streichelte, kam ihr eine Idee: „Warte, Amina. Ich komme gleich wieder.“ Frau Nnuroka rannte hinunter ans Telefon und rief Aminas Klassenlehrer an- was die beiden sprachen, konnte Amina nicht verstehen.

Als Amina am nächsten Tag in die Schule kam, waren Tobias und Frank schon da und begrüßten sie gleich wieder mit einem ihrer blödesten Sätze: „Na, mit dem Wohnungsbau schon fertig? Unter dem Misthaufen wäre doch ein prächtiges Plätzchen, oder?“ Amina wollte gar nicht hinhören und begrüßte erst mal Felicia, die ihr gleich das Neueste über ihre Schwester und deren Liebesleben preisgab. Viel Zeit hatte sie dafür aber nicht, da Herr Reinhard schon zur Tür herein kam. „Guten Morgen!“, sagte er, worauf das allmorgendliche und gewohnteMorgenals Antwort kam. „Ich hab heut ehrlich gesagt gar keine Lust mit euch richtigen Unterricht zu machen und da wir ja gerade das ThemaTheaterhaben, hab ich mir etwas überlegt. Wir spielen jetzt ein Theaterstück mit getauschten Rollen. Und zwar teile ich euch jetzt erst einmal in vierer- Gruppen ein. Die zwei, die ich als erstes sage, stellen sich nebeneinander, die anderen zwei aus der Gruppe gegenüber. Also: Maja, Anna, Robin und Felix sind Gruppe eins. Dann Hannah, Lea, Sabine und Julia. Ihr seid Gruppe zwei. Gruppe drei sind Felicia, Amina, Frank und Tobias. Gruppe fünf Max, Katja, Vincent und Barbara. Und für Gruppe sechs bleiben ja nur noch Jan, Oliver, Moritz und Marlon. Pauline fehlt heute ja. So, die Gruppen bleiben übrigens wie sie sind, es darf nicht getauscht werden, okay?“ Teils widerwillig, teils hoch erfreut kam schließlich aber doch von allen ein: „Okay!“. „Dann ist ja gut,“ meinte Herr Reinhardfangen wir an: Die beiden, die sich jetzt gegenüber stehen, tauschen jetzt die Rollen. Das heißt, Max ist jetzt Vincent, Vincent ist Max, Katja ist Barbara und umgekehrt. Maja ist Robin, Anna ist Felix und so weiter. Ihr stellt euch vor, ihr seid jetzt alle im Schwimmbad und bitte versucht den anderen so gut wie möglich zu spielen. Also los!“ ‚Mama, du bist ein Schatz’, dachte Amina, als sie begriff, was dieses Spiel sollte: Frank und Tobi zeigen, wie unfair sie sind! Und das beste war: Es funktionierte, denn schon nach fünf Minuten sagte Tobias: „Amina, du bist unfair, so bin ich nie!“ „Ach nein?“, fragte Amina unberührt und machte ihre Rolle genauso weiter wie vorher. Nach einer halben Stunde Geschrei und Gelächter im Klassenzimmer und Gemeckere von Tobias und Frank, brach Herr Reinhard das Spiel ab. „Nein, nicht aufhören“, sagten die einen, „Gott sei Dankdie anderen. „Na, was ist euer Ergebnis?“, fragte Herr Reinhard. Frank und Tobias meldeten sich sofort. „Ja, Tobias?“ „Das war total doof. Amina hat mich total falsch gespielt. Sie hat mich nur fertig gemacht und beleidigt. Sie hat gesagt ich wäre wohl in ein Pfütze gefallen, so braun wie ich sei und noch anderes böses.“ Da meldeten sich auch Max, Vincent, Anna und Maja. „Ja, Vincent?“ „Herr Reinhard, dann hat Amina gut gespielt. Letztens haben Frank und Tobias Amina total fertig gemacht. Sie haben Maulwurf und Schokoladentafel zu ihr gesagt und sie voll beschimpf! Das war unfair, richtig böse!“ Herr Reinhard hörte genau zu. Dann sah er hinüber zu Frank und Tobias, die sich immerkleinerwurden und sich in ihren Stühlen vergruben. „Ich weiß“, sagte er nach einer Weile. „Jemand hat es mit erzählt und außerdem stand ich heute Morgen vor euerer Tür, als der Spruch mit dem Misthaufen kam, den ich nun wirklich alles andere als nett fand.“ „Tut mir leid“, sagte Frank schließlich. „Mira auch“, fügte Tobias schnell hinzu. „Gut,“ sagte Herr Reinhard, „Ich hoffe das war euch eine kleine Lehre. Für seine Hautfarbe kann man nichts, das müsstet ihr doch eigentlich wissen. Außerdem finde ich Amina sehr, sehr hübsch!“ Da klingelte es zur Pause. Frank kam auf Amina zugelaufen, mit Blick auf den Boden. „Amina, so schlimm bist du wirklich nicht. Eigentlich gar nicht. Im Grund bist du sehr nett. Darf ich dich als Entschuldigung zum Eis einladen?“ „Klar, sagte Amina! Endlich ist es wieder so wie immer: Sommer, Sonne, Sorgenfrei!“



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