Wehmütig strich Gesa über das fleckige Stahlrohr des Weidetors. Seit sie vor einigen Monaten das letzte Mal hier gewesen war, hatte sich der Stall verändert. Die meisten Einstellpferde waren auf umliegende Höfe umquartiert worden, und auch die Schulpferde hatten ihre Boxen räumen müssen. Das alles hatte sich abgespielt, während Gesa fast die kompletten Wochen in der Großstadt zugebracht hatte – die Arbeit machte das nötig. So hatte sie erst spät erfahren, daß der Stall schloß, der für ein paar Jahre ihr zweites Zuhause gewesen war.
Sie drückte auf den Knopf der Fernbedienung und ließ die Türen ihres Wagens verriegeln. Dann zerrte sie die Tür zur Stallgasse auf und genoß den Geruch nach Stroh und Pferdescheiße. Aus einer der hinteren Boxen schob sich neugierig der Kopf eines Schimmels mit zotteliger Mähne. Gesa sah an den vielen leeren Boxen herunter und ließ die Tage und Nächte im Stall in Gedanken vorbeiziehen – angefangen von ihrem ersten Besuch, dem Kennenlernen von Hannah, Julia und Carsten bis zu einigen Nächten, die für ein Kribbeln im ganzen Körper sorgten, sobald sie eine Reithose oder Regenjacke anzog oder Gummireitstiefel auch nur sah.
»Nimm mit, was du davon gebrauchen kannst. Was jetzt noch hier ist, haben die Mädels vergessen«, hatte Julia gesagt, als Gesa sie um die Klamotten in der Sattelkammer gebeten hatte: Reitstiefel, Gummihose, Watstiefel, zwei Reitkappen und eine Gerte. Die rote Plastikregenjacke hing verschmiert wie immer daneben an einem Nagel. Gesa fühlte das Material unter ihren Fingern, und unwillkürlich wurde sie warm und feucht. »Steht er denn auch auf Reitklamotten?« hatte Julia gefragt, und Gesa hatte nur mit den Schultern zucken können. >Aber ausprobieren muß ich es<, dachte Gesa und schob sich die Spitze eines Gummireitstiefels zwischen die Beine.
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