Ein Gelöbnis ist sozusagen die normative Seite eines Bekenntnisses, die gelobt, fürderhin nach Prinzipien zu handeln, zu denen man sich bekennt, weil man sie nicht verstanden hat. Dieser fatale Mangel an Erkenntnis wird gewissermaßen dadurch verwischt, dass man ihn dann auch noch feiert und ihm eine besondere Weihe verleiht. Im Gelöbnis vollzieht das Bekenntnis außerdem einen brutalen Übergang von der Innerlichkeit ins Soziale und unterwirft sich freiwillig den Drohungen und Sanktionen der Gemeinschaft, die schon versuchsweise Erkenntnisse und die Revision des Bekenntnisses untersagt. Weil ja Gegenstand und Inhalt des Bekenntnisses auf arg wackeligen Füssen steht, hat eine Gelöbnisfeier etwas Geheimbundartiges, um sich der potentiellen Zersetzung durch die nicht Bekennenden zu entziehen. Natürlich steht ja eigentlich alles auf wackeligen Füssen und so auch jede Erkenntnis von irgendwas, weshalb sich zu bekennen ein Unfug ist, und diesen Unfug in einer Gelöbnisfeier zu einem Heiligtum zu erheben, eine Frechheit und eine große Gewalttätigkeit an den Heiden, denen das Bekenntnis fern liegt. Freilich kann das Gegenteil des Bekennenden nicht der Erkennende sein, weil das Erkennen schon gar nicht möglich ist, und von Erkenntnis zu reden, wäre eine ebenfalls dreiste Arroganz, sondern vielmehr ist es der Ratlose, der zwar auch was tun muss, um zu leben, aber nur eben so oder so, mal hier und mal da, und der etwas zu tun unterlässt, weil er es hasst und weil es ihn anekelt, und nicht weil er etwas erkannt oder sich dazu bekannt oder es gelobt oder gefeiert hätte.
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