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Die Leiche schrieb am 13.6. 2008 um 17:39:49 Uhr über

Gehirnamputation

Die Pressekonferenz war furchtbar - doch ich mußte sie über mich ergehen lassen. Sie gehörte zu den Vereinbarungen, die ich mit der Uniklinik unterschreiben mußte, und im Prinzip war es ja auch richtig so. Von Peek&Cloppenburg waren freundliche junge Damen gekommen, zuerst mit Katalogen, dann mit fahrbaren Gestellen. Meine ersten Kleider. Ich wählte nur unisex-Sachen aus. »Wirklich kein kleines Schwarzes ? Sie haben eine so gute Figur dafürNein danke. Später vielleicht. Und so betrat ich das Podium in einem Hörsaal der Uniklinik in einem grauen Hosenanzug und einem schwarzen Cashmere-Pulli. Das Blitzlichtgewitter war entsetzlich. Es war gut, daß mir meine Betreuer den Hörsaal vorher schon einmal gezeigt hatten, und ich mich gut zurecht fand. Verabredungsgemäß blieb ich neben dem Pult stehen, an dem der Projektleiter die Pressekonferenz eröffnete. »Damit es Ganzkörperfotos gibt« hatte man mir gesagt. Die Objektive der Fotoapparate und Fernsehkameras ließen mich an ein Erschiessungskomando denken, und ich war so froh, als ich endlich hinter dem Tisch auf dem Podium Platz nehmen konnte. Links von mir saß der Projektleiter, rechts der PR-Agent, den sie für diese Show engagiert hatten: »Internationale Pressekonferenz der wissenschaftlichen Sensation des Jahrtausends: Das Gehirn eines Mannes im Körper einer FrauIm Raum wuselten Security-Typen herum, die die Journalisten einige Male sogar brutal davon abhalten mußten, die Absperrungen zu durchbrechen. Es war ein Hexenkessel und Geschreie, daß erst nach endlos langen zehn Minuten abzuebben begann. Dann begann der PR-Agent, die Fragen zuzulassen. Wie ich mich fühle, was ich empfinde, was ich denke, wie ich mir mein künfiges Leben vorstelle, ob ich Kinder haben wolle - als ich »Definitiv nichtsagte, sah mich der Projektleiter überrascht an. »Es wird mir schwer genug fallen, eine Frau zu werden - das genügt mir völligOb ich mich sterilisieren lassen wolle ? »JaDann ging der Tumult wieder von vorne los, bis der PR-Agent eingriff, und dann aufforderte, weniger spekualtive Fragen zu stellen. Und dann dieses politische Zeug ! Nein, ich würde diesem Experiment und meiner Person keinerlei Bedeutung für die Geschlechterrollen zumessen, nein, ich gedächte nicht, einer Partei beizutreten, nein, ich könne niemandem dazu raten, so eine Transplantation nur aus Gründen der sexuellen Identität durchführen zu lassen - was wieder die Wellen hoch schlagen ließ. Und dann der unvermeidliche Sex: ja, ich hätte mich schon angefasst, aber die Gefühle dabei wären mir recht fremd gewesen, nein, ich hätte noch mit niemandem Sex gehabt - hier in der Klink habe man recht wenig Gelegenheiten dazu - was ein dröhnendes Gelächter auslöste. Ja, ich könne mir vorstellen einen Penis in mir zu haben, wie man mir gesagt hätte, wäre das wohl auch nicht das erste Mal in diesem Körper der Fall. Wieder ein dröhnendes Gelächter - die Sache begann, mir Spaß zu machen. Nein, die vielen Briefe hätte ich nicht gelesen, ich hätte einstweilen mit mir selbst genug zu tun, nein, ich wüßte noch nicht, wie mein künftiges Leben aussehen werde, nein, ich hätte nicht das Gefühl, jemand anders zu sein, aber ich würde vermuten, daß sich das ändern werde.


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