Das Geheimwissen unterliegt dem Tabu, einer Art »omértà«. Es ist von daher einer wissenschaftlichen Erschließung absolut unzugänglich. Sein Inhalt besteht im wesentlichen aus Erkenntnissen darüber, wie die eigenen Interessen entgegen den gesellschaftlich anerkannten Normen am effektivsten verfolgt werden können. Weite Teile des Geheimwissens beschäftigen sich daher mit der Kunst, diese Normen, insbesondere staatliche Gesetze und Verpflichtungen zu umgehen, sich dem Zugriff der Polizei, des Kreiswehrersatz- und des Finanzamtes sowie der Gerichte zu entziehen. Diesen Teil des Geheimwissens könnte man nach Schopenhauer »eristrische Jurisprudenz« nennen. Eine erste Berührung mit dem Geheimwissen vermittelt regelmässig das Bildungssystem mit seinem Prüfungswesen, das so aufgebaut ist, daß in unterschiedlichen Graden, aber stets grundsätzlich umgehbar ist. Der Spickzettel, seine Herstellung und sein praktischer Einsatz steht heutezutage für eine große Anzahl der Menschen an der Pforte zum Arkanum. Der evidente Erfolg, auch ohne dienstfertige Unterwerfung unter die vorgeschriebenen Exerzitien die begehrten Glücksgüter zu erlangen - oder zumindest von Belästigungen durch »Erziehungsberechtigte« verschont zu bleiben - legt dem erwachenden Geist des jungen Menschen die Überlegung nahe, dieses Prinzip auch auf andere, ausserschulische Lebensbereiche zu übertragen. Die Konfrontation mit dem Staatlichen Zugriff im Rahmen der sogen. »Wehrpflicht«, die ja nichts anderes ist, als ein brutaler Freiheitsentzug mit der Option, sich fürs Vaterland erschiessen lassen zu müssen, stellt eine erste große Herausforderung an das Geheimwissen dar: wie drückt man sich darum, ohne ein Jahr der schönsten Jugend mit dem Wischen alter Ärsche zu verbringen ? Ein weiterer Sektor des Geheimwissens betritt man zur Schulzeit regelmässig im Rahmen des Drogenkonsums. Dieser Sektor reicht vom Diebstahl von Bierflaschen aus dem väterlichen Kasten und dessen Verschleierung bis hin zum Erwerb von, gelegentlich dann auch dem Handel mit - illegalen Drogen, deren Effizienz weitaus höher ist, als der Bierflaschendiebstahl im elterlichen Haushalt oder im Lebensmittelgeschäft.
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