Frage von
Dr. S. aus D. :
Meine 75jährige Patientin leidet seit Jahren unter zunehmendem Meteorismus mit deutlicher (geruchloser) Flatulenz, die bei zunehmender Sphinkterunzuverlässigkeit peinliche Situationen verursacht. Es gibt keine Hinweise auf eine exkretorische Pankreasinsuffizienz, der Stuhl ist frei von pathogenen Pilzen. Simethicon half nicht.
Antwort von
Professor Dr. Volker F. Eckardt, Gastroenterologe, Wiesbaden :
Oft wird verkannt, daß der gesunde Mensch sich nicht nur fester und flüssiger Medien entledigen muß, sondern auch gasförmiger Elemente. Es ist normal, wenn täglich 10 bis 20 Winde den Darmausgang passieren und dabei ein Gesamtvolumen von bis zu einem Liter erreichen. Die Mehrheit der von Meteorismus geplagten Patienten produziert keineswegs zuviel Gas, sondern empfindet ein völlig normales Phänomen bereits als eine Belästigung. Ihnen ist weder mit einer aufwendigen Diagnostik noch mit »entblähenden« Medikamenten gedient. So ist schwer verständlich, warum in derartigen Situationen nach Pilzen im Darm gesucht wird, die so gut wie nichts mit der intestinalen Gasproduktion zu tun haben. Auch habe ich noch nie verstehen können, wie man erwartet, daß oberflächenaktive Substanzen, die aus kleinen Gasblasen große machen, den Gasgehalt reduzieren sollen. Nehmen wir aber einmal an, daß die geschilderte Patientin nicht zu dem Heer der Gas-Empfindlichen gehört, sondern tatsächlich zu den Über-Produzierern, dann muß zunächst die Frage nach dem Entstehungsmechanismus geklärt werden. Hierzu bedarf es in der Regel keines gaschromatographischen Labors, sondern einer gründlichen Anamneseerhebung. Luftschlucker schildern fast regelmäßig, daß es während oder unmittelbar nach Nahrungsaufnahme zur Trommelbauchentstehung kommt. Andere regen ihre normale Darmflora zur vermehrten Gasproduktion an, indem sie nicht- oder schlecht resorbierbare Kohlenhydrate wie beispielsweise Fructose und Sorbit (Süßstoffe und »Diätzucker«) zu sich nehmen, und einige können Lactose und andere Zucker nicht verdauen, weil sie einen spezifischen Enzymdefekt oder gar eine primäre Dünndarmerkrankung aufweisen. In vielen dieser Fälle können einfache Modifikationen in den Eß- und Ernährungsgewohnheiten wie beispielsweise der Verzicht auf »Süßstoffe« wahre Wunder bewirken und den Blähbauch in sich zusammenfallen lassen. Ist dies nicht der Fall, und hat nicht nur der Patient, sondern auch der behandelnde Arzt wiederholt den Blähbauch verifiziert (zum Beispiel auch durch Anfertigung einer Abdomenübersichtsaufnahme), dann lohnt es sich, eine Malabsorptionsdiagnostik einzuleiten. Im vorliegenden Fall gibt aber ein ganz anderes Problem zu denken, nämlich die Schilderung der Patientin, daß sie infolge unfreiwilliger Flatuspassage nicht gesellschaftsfähig ist. Hier wird die Darmgasbildung für Inkontinenz verantwortlich gemacht, ein häufig zu beobachtendes Phänomen bei Patienten, die nicht akzeptieren können, daß ein sehr viel schwerwiegenderes Problem der Symptomatik zugrunde liegt. Der Verdacht drängt sich auf, daß normale Mengen von Darmgas von einer insuffizienten Analmuskulatur nicht retiniert werden können. Dieses Phänomen sollte nicht schicksalhaft entgegengenommen werden, sondern hier muß die Frage nach der Ätiologie und den daraus resultierenden therapeutischen Optionen geklärt werden. Nicht ein Gas- Physiologe, sondern ein in Fragen der analen Funktion erfahrener Proktologe ist hier gefordert.
Zusammenfassung:
Die Bildung von Darmgasen und ihre Entleerung nach außen ist ein normales Phänomen, das nur in sehr seltenen Fällen Krankheitswert hat. Die Aufklärung des Patienten ist daher oft die wichtigste Maßnahme.
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