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Spiegel schrieb am 18.4. 2001 um 23:24:05 Uhr über

Fußball

Mit SPIEGEL ONLINE spricht Hörfunk-Fußballreporter Manfred
Breuckmann über künstliche Hindernisse der Livereportage und
die Vorzüge des Radios gegenüber Fernsehen und Internet.

In unserer Reihe »Vision Fußball«
befragen wir Protagonisten der
Fußball-Szene zur Zukunft der
Branche. Nach unter anderem
Dortmunds Profi Otto Addo,
TV-Reporter Marcel Reif, Schalkes
Trainer Huub Stevens, Ligachef
Werner Hackmann und dem
Spielerberater Roger Wittmann folgt
heute Hörfunk-Moderator Manfred
Breuckmann.

SPIEGEL ONLINE: Herr Breuckmann,
sind Radioreporter im Gegensatz zu
den Kollegen vom Fernsehen die
begabteren Fußball-Kommentatoren?

Manfred Breuckmann: Nein, das sind zwei Baustellen. Unsere
Aufgabe ist es, Stimmung zu erzeugen und Spannung aufzubauen.
Beim Fernsehmann ist eher die Analyse als die Beschreibung
gefordert.

SPIEGEL ONLINE: Anders gefragt, wird im öffentlich-rechtlichen
Rundfunk noch solider Sportjournalismus betrieben, während die
privaten TV-Sendern allenfalls gute Unterhaltung bieten?

Breuckmann: Das möchte ich nicht behaupten. Denn dann würde
ich eine ganze Reihe von durchaus fähigen Leuten beleidigen. Es ist
sicherlich nicht so, dass man bei den Privaten vollkommen kritiklos im
Sinne der Bundesliga berichtet. Kommt es aber zum Schwur, kann
man von dieser Seite aus sicherlich keine Fundamentalkritik erwarten.
Niemand von Premiere World oder von »ran« würde das
Bundesligageschäft in Frage stellen.

SPIEGEL ONLINE: Vor dieser Saison hat ein Brief des DFB große
Unruhe ausgelöst: ARD-Rundfunkanstalten dürfen sich vor der
Halbzeitpause zwar live einblenden, müssen aber zeitversetzt
kommentieren. Ist das der Anfang vom Ende der
Bundesliga-Übertragung im Radio?

Breuckmann: Diese Regelung ist überhaupt nicht neu, die gibt es
seit den achtziger Jahren. Bis zu dieser Saison aber hat der DFB
stillschweigend akzeptiert, wenn wir doch immer wieder auch schon
von der ersten Halbzeit live berichtet haben.

SPIEGEL ONLINE: Wie kommen Sie damit zurecht, wenn ein Tor
fällt?

Breuckmann: Gar nicht, weil das vollkommener Schwachsinn ist.
Oder wie soll man es sonst nennen, wenn ich auf Sendung bin und
der Hörer mitbekommt, dass 40.000 Fans »Tor« schreien, ich mich
aber leider nicht dazu äußern darf, außer: "Ich gebe zurück ins
Funkhaus"? Manchmal warte ich dann einfach drei Sekunden, bin
erkennbar verhalten und bestätige, dass gerade ein Tor gefallen ist.
Das ist schlicht schikanös, mit einer solchen Regelung kann man auf
Dauer nicht leben.

SPIEGEL ONLINE: Der DFB hat eben erkannt, dass auch mit den
Hörfunk- und Internet-Rechten Geld zu machen ist.

Breuckmann: So ist es. Der DFB hat
die Hörfunk-Übertragungsrechte fürs
Internet an ein Berliner Unternehmen
vergeben, das die Spiele im Internet
überträgt. Eigentlich sind die gar keine
Konkurrenz für uns, weil sie aus
technischen Gründen gerade mal
25.000 Abrufe gleichzeitig haben
können. Trotzdem bleiben wir in der
ersten Halbzeit außen vor.

SPIEGEL ONLINE: Ist aber die
klassische Radio-Übertragung im
Internet-Zeitalter überhaupt noch
zeitgemäß?

Breuckmann: Ich bin natürlich
befangen, schließlich bin ich so eine
Art »Radio-Dino«. Im Augenblick aber
halte ich unser Medium durchaus noch für zeitgemäß. Denn wir sind
noch immer das beste Angebot für all diejenigen, die am Wochenende
in ihrem Gartenhäuschen sitzen oder ihr Auto waschen oder das
wöchentliche Bad nehmen. Solange ich nicht jederzeit über ein
kleines Gerät, das ich mit mir führen kann, Zugriff auf
www.bundesliga.de habe, kann das Internet nicht mithalten. Unser
Produkt, vor allem die Schlusskonferenz von den wichtigen Spielen,
halte ich für konkurrenzlos, dagegen kann nicht mal die TV-Konferenz
auf Premiere World anstinken.

SPIEGEL ONLINE: Leo Kirch dürfte ein paar mehr
Premiere-World-Abos absetzen können, wenn es die
Radio-Schlusskonferenz nicht mehr gäbe.

Breuckmann: Das kann ich mir nicht vorstellen. Erst wenn
Bundesligaspiele am Samstagnachmittag live im Free-TV übertragen
werden, wäre das für uns ein schwerer Schlag. Premiere World aber
ist nach wie vor zu teuer, als dass es ein Angebot für jedermann sein
könnte. Und wenn Kirch glaubt, er käme damit durch, die Bundesliga
erst am späten Abend im Free-TV zu zeigen, dann täuscht er sich
gewaltig.

SPIEGEL ONLINE: In den letzten zwei Wochen gab es in
Bundesligastadien zum Teil erhebliche Fanproteste. "Erkaltet die Liebe
der Fans», wie die «Bild"-Zeitung verängstigt fragt?

Breuckmann: Die Verzerrung des Spieltages ist eine Zumutung. Wie
sollen Rostock-Fans an einem Sonntagabend zum Spiel nach
Leverkusen kommen? Das geht einfach nicht. Und ich bin überzeugt,
dass das schon bald indirekt auch auf die Fernsehsender
durchschlagen wird. Denn die brauchen für die Vermarktung ein
positives Produkt, das in der Öffentlichkeit glänzend dasteht. Wenn
aber auf dem Bildschirm zu sehen ist, dass die Stadien leer sind, dann
ist das Positive dahin. Die Arroganz den Fans im Stadion gegenüber
ist also in jeder Hinsicht dumm.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie die Nase vom heutigen
Fußball-Showgeschäft noch nie voll gehabt?

Breuckmann: Ich mache Fußball im Radio seit 1972, und ich habe
immer dann genug, wenn es einfach zuviel wird mit der Schlagzahl,
wenn also im Sommer Europameisterschaft ist und direkt im
Anschluss Bundesliga. Dann habe ich in der Tat im Dezember die
Schnauze voll.


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