eit Haushaltszucker in Misskredit geraten ist, hat der Fruchtzucker regelrecht einen Aufschwung erlebt. Immer mehr Lebensmittel werden mit Fruktose schmackhaft gemacht. In den USA werden täglich zehn Prozent des Energiebedarfes über diesen Zucker gedeckt. Viele Säfte, Erfrischungsgetränke, Desserts, Ketschup, Joghurt und Marmelade werden mit reinem Fruchtzucker versetzt. Teilweise wird ihnen auch Maisstärkesirup untergerührt, der große Mengen an Fruktose enthält. Mit dem Slogan »Ohne Haushaltszucker« preisen die Hersteller die Ware an und suggerieren damit: Hier ist kein schlechter Zucker drin. Aber wer daran glaubt, der irrt.
Fruchtzucker birgt wohl nicht dieselben, dafür aber andere Risiken als Haushaltszucker. Im Unterschied zu diesem lässt Fruktose den Blutzuckerspiegel nicht ansteigen. Deshalb wurde sie zuckerkranken Menschen einst empfohlen. Doch das Plus beim Blutzucker wird mit einem dicken Minus bei den Blutfetten erkauft. In einer amerikanischen Studie erhielten Männer fünf Wochen lang eine fruktosereiche Ernährung. Innerhalb kurzer Zeit schnellten die Werte an gesundheitsgefährdendem Cholesterin und Triglyceriden im Blut in die Höhe. Der Wert lag um 32 Prozent über dem der Normalkostler und sank auch eine Woche nach Beendigungen der Studie nicht ab. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Probanden gesund oder zuckerkrank waren.
»Bei den Frauen fanden wir keinen solch dramatischen Effekt. Die Blutfettwerte waren allenfalls bei einzelnen Probandinnen leicht erhöht, teilweise auch gar nicht verändert«, berichtet Studienautor John Bantle von der Universität von Minnesota in Minneapolis. »Eine fruktosereiche Ernährung ist für Männer nicht empfehlenswert«, folgert der Forscher.
»Die erhöhten Blutfettwerte begünstigen auf Dauer Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Schlaganfall. Die Arterien können sich verengen. Eine Arteriosklerose entwickelt sich, die sich in einer hartnäckigen Entzündung der Blutgefäße äußert«, erläutert die Pharmakologin Annette Schürmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam.
Dass der Fruchtzucker den Männern mehr zusetzt als den Frauen, wundert die Forscherin nicht. »Solche geschlechtsspezifischen Unterschiede wurden auch in den Tierversuchen beobachtet«, berichtet sie und erklärt: »Fruktose wird im Körper in Fett umgewandelt. Die weiblichen Geschlechtshormone greifen in diesen Stoffwechsel ein und richten ihn immer passgenau aus. Damit kann die Frau in der Schwangerschaft zulegen und danach auch wieder in kurzer Zeit abnehmen.« Männern fehlt diese Stellschraube. Sie besitzen keine Östrogene, die verhindern, dass Fruktose im Übermaß in Fett umgewandelt wird. Vieles deutet auf diesen schützenden Effekt der weiblichen Geschlechtshormone hin, aber ein schlüssiger Beweis ist noch nicht geglückt.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat bislang noch keine Empfehlung zum Verzehr von Fruktose herausgegeben. »Dass Fruktose die Blutfettwerte negativ beeinflusst, ist sicher«, bestätigt Angela Bechthold von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Aber die Frage, ob Fruktose zusätzlich dick macht, sei noch nicht geklärt. »Es gibt Hinweise und erste Studienergebnisse, die aber noch keine eindeutige Stellungnahme ermöglichen«, teilt Antje Gahl, Pressesprecherin der Gesellschaft, mit.
Erst im vergangenen Jahr hatte die Ernährungswissenschaftlerin Hella Jürgens bei Mäusen beobachtet, dass diese drei bis vier Gramm schwerer werden, wenn sie täglich eine Fruktoselösung trinken. Der süße Trank schlug den Tieren zudem auf die Leber. Diese verfettete. »Eine solche Einlagerung von Fett in die Leber würde beim Menschen den Anfang von Diabetes und krankhaften Übergewichts bedeuten«, erläutert Schürmann. Allerdings konnten die Potsdamer Forscher nicht ergründen, weshalb die Mäuse mit der Fruktose an Gewicht zulegten. Daher ist der Zucker noch nicht endgültig als Dickmacher überführt werden. Es bleibt einstweilen bei einem schweren Verdacht.
»Wir wissen aber, dass Fruchtzucker kein Sättigungsgefühl auslöst. Haushaltszucker beeinflusst über die Insulinausschüttung bestimmte Hormone wie Leptin und Ghrelin, die dem Gehirn mitteilen: Stopp, ich bin schon satt! Dieses Räderwerk fehlt bei der Fruktose«, betont Schürmann. Dadurch verleitet fruchtzuckerhaltige Nahrung, mehr zu essen als der Appetit verlangt. Auf lange Sicht legt man an Gewicht zu.
Die Forscherin meidet fruktosegesüßte Getränke und Säfte. »Ich würde diese Lebensmittel auch niemandem für den täglichen Speiseplan empfehlen«, warnt sie. Obst schade dagegen nicht. Der Gehalt an Fruktose ist darin äußerst gering. Zum Beispiel haben 100 Gramm Zwetschgen nur 1,2 Gramm Fruchtzucker, 100 Gramm Birnen versüßen den Verzehr im Mittel mit 6,8 Gramm. Wenige Esslöffel fruktosehaltiges Ketschup enthalten bereits deutlich mehr der bedenklichen Süße.
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